
3
Seit Urzeiten ist den Menschen bewusst, dass die mit den fünf Sinnen zu erfassenden Phänomene, die ihnen in ihrer jeweiligen Lebenswelt begegnen, nicht das Ganze der Wirklichkeit sind, mit der sie zu rechnen haben. Jenseits der sichtbaren Welt gibt es eine unsichtbare Welt, die nur indirekt und (...)
7
„Was haben Sie nur davon, noch mehr zu haben, als Sie haben?“ fragte ich ihn, vermutlich naiv, denn für Haben hatte ich mein Lebtag nie Verständnis gehabt. (Günther Anders, Ketzereien) Ist das Haben nicht eine dürftige Position? – Selbstverständlich. Bedürftig wie wir sind, wollen wir haben, eben weil (...)
8
Glück ist ein unglückliches Substantiv. Eins kann glücklich sein oder es kann auch etwas glücken, aber Glück haben? Welches Konto soll es wahren und bewahren? Welche Versicherung schützen und beschützen? Glücklich zu sein ist besser als Glück zu haben. Ersteres ist Zustand, Letzteres Zufall. Der (...)
11
Niemand hat „property“ so stark in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gerückt wie John Locke (1632-1704). Und kaum jemand hat ihn wohl so akribisch rezipiert wie Alfred Noll. Man kann hier nachlesen, wie und dass Freiheit und Unfreiheit, Gleichheit und Ungleichheit zusammenpassen, warum das (...)
12
In seinem Vorwort zu der Aufsatzsammlung „Schulen helfen nicht“ („Celebration of Awareness“), die Ivan Illich 1969 erstmalig publizierte, schreibt Erich Fromm: „Weder diese Aufsätze noch ihr Verfasser bedürfen einer Einleitung. Wenn trotzdem Ivan Illich mir die Ehre erwiesen hat, mich um eine (...)
16
Menschen sichern ihre Existenz, indem sie ihre Lebensbedingungen herstellen. Sie tun dies jedoch in der Regel nicht ad hoc, also wenn sie aktuell etwas brauchen, sondern vorsorgend für den Fall, etwas in der Zukunft brauchen zu können. Wer etwas braucht, greift auf mehr oder weniger lange zuvor (...)
17
Warum Leute reich werden und bleiben ist bereits hinlänglich gesagt. Brechts Diktum, dass Armut und privater Reichtum miteinander funktional verbunden sind, dass der private Reichtum Einzelner auf der relativen Verarmung der Vielen beruht, ist allgemein geläufig. Marx unterstrich, dass das (...)
18
Eigentlich tue ich wenig anderes, als zu konsumieren. Die Konsequenz davon ist, dass ich viel habe. Ich besitze einige tausend Dinge. Wahrscheinlich besitze ich sie genauso wenig wie die Bäume vor „meinen“ Fenstern, aber etwas in mir meint, sie gehören zu mir wie meine Zähne oder meine Nieren. (...)
20
Wenn es noch immer nichts wird mit einem geglückten „Sein“, dann kann man sich nur auf das „Haben“ stürzen und sich mit ein klein bißchen Luxus entschädigen. Das könnte ein schnoddriges Kurzrésumé von Erich Fromms Buch „Haben oder Sein“ abgeben, wenn es jemand nach vierzig Jahren erneut zur Hand nimmt. (...)
22
„Dem Armen zeigt die Welt ihr wahres Gesicht.“ Ein Zitat von Adolf Holl, jenem 88-jährigen Theologen, Soziologen und Publizisten, dem in den 1970er Jahren die Ausübung des Priesteramtes und die Lehrbefugnis wegen Unangepasstheit an die katholischen Dogmen entzogen wurden. Ja, wir Armen spüren (...)
23
Gehypte Bücher haben oft eines gemeinsam: Sie geben mehr an als her. Die menschliche Revolution, die Emanzipation der Gattung ist nicht mehr möglich über die personalisierende Enthüllung der herrschenden Klasse, die immer überwuchert wird von den Apparaten, die ihre Herrschaft aufrechterhalten; sie (...)
24
Mangel Morgens las ich in der 8-seitigen Beilage zum Thema „Einsamkeit“ des Kurier (4.11.2018), dass es vielen Menschen an zwischenmenschlichen Kontakten mangelt. Ältere genauso wie jüngere fürchten sich vor Isolation. Merkwürdig, wo doch alle rund um die Uhr in den digitalen sozialen Netzwerken (...)
28
Roboter und Computerprogramme dringen immer weiter in die industrielle Fertigung vor, schicken sich an, selbstständig Autos zu fahren, treffen automatisierte Investitionsentscheidungen an den Finanzmärkten und sollen zunehmend die Betreuung pflegebedürftiger Menschen unterstützen. Der neueste Trend (...)
30
Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken“, erschienen im VSA-Verlag. Das Buch ist online frei erhältlich unter [commonism.us->https://commonism.us. Sutterlütti und Meretz fassen Utopie in ihrem Buch als Raum (...)
35
Um in der Ökonomie überleben zu können, müssen wir schneller, eifriger, umtriebiger, verschlagener, effektiver sein. Alle Kompetenzen sind diesen Imperativen unterzuordnen. Die Frage Was will ich? geht in der Frage Was muss ich? unter. Wir haben zu müssen. Darin liegt unsere Freiheit. Sich am Markt (...)
36
moderiert und dann textlich destilliert von Hermann Engster Das Problem: Ich wollte herausfinden, ob Brechts Kindergedichte auch in der Schulpraxis funktionieren. Die Versuchsanordnung: drei Grundschulen in Göttingen, vier vierte Klassen an jeweiligen Terminen, Buben und Mädchen im Alter von (...)
39
Bei Begriffen, die im Alltag wie in der Wissenschaft eine lange und verschlungene Tradition haben, ist es manchmal durchaus fruchtbar, auf frühe Konzepte zurückzugehen. Im Falle der Lust auf Epikur, auf seine „negative“ Darstellung, dass Lust grundsätzlich die Abwesenheit von Schmerz bedeute, die (...)
42
Dieser Roman spielt in einer Stadt in der nahen Zukunft. In ihr werden die Häuser zum Zentrum hin immer höher, die Wohnungen darin luxuriöser. Am Rand herrscht das nackte Elend. Dort leben die Minderleister. Wer von dort in die Stadt gelangen will, muss bei einer Casting-Show gewinnen. In der (...)
44
Loslassen!? Bloß nicht loslassen! Eher noch macht unsereins den Klammeraffen, als mal was sausen zu lassen. Eine Gelegenheit zum Beispiel, die uns ganz unvermutet winkt. Was sich im warenproduzierenden Alltag eben so bietet. Eine Chance, eine echte Herausforderung, in die eins sich verbeißen (...)
WWW
Vorweg: Alle Themen sind willkommen, nicht nur Texte zum Schwerpunkt. Wer also etwas hat, das sie oder er gerne loswerden möchte und das auch in die Streifzüge passt, dann bitte nicht zu zögern. Die Nummer 74, unsere Herbst-Ausgabe 2018 dreht sich um die Habe und das HABEN Haben hat jedenfalls (...)
WWW
zum Inhaltsverzeichnis Peter Klein: Fakten, Fakten, Fakten – und nichts dahinter? Schwerpunkt: HABEN Franz Schandl: Hüter des Habens . Beiträge zur Zerlegung einer spezifischen Allgemeinheit Marianne Gronemeyer: Haben, als hätte man nicht . Das Abseits als wirtlicher Ort Nikolaus Dimmel: Am Ende (...)