Claudia von Werlhof

Geboren am: 17. Mai 1943

Professorin an der Universität Innsbruck und Autorin zahlreicher feministischer sowie entwicklungstheoretischer Bücher.

Beitræge von Claudia von Werlhof
MOZ, Nummer 39

Magnifizenz, sehr geehrte Damen und Herren

März
1989

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MOZ, Nummer 43
10 Jahre Nicaragua:

Von der Hoffnung und den Zwängen

Juli
1989

Vor genau 10 Jahren wurde der nicaraguanische Diktator Somoza gestürzt. Das „Neue Nicaragua“, das nach der Machtübernahme der Sandinisten als soziales Modell Hoffnungen erweckte, ist heute in die ökonomische Krise geraten. Über die Einschätzung von 10 Jahren Sandinismus lud die MOZ zur Diskussion: (...)

Beitræge zu Claudia von Werlhof
radiX, Texte

Karla May in einer südmexikanischen Kleinstadt

 
1995

Der Trikont verelendet, und die weibliche Bevölkerung ist einem „Prozeß der Hausfrauisierung“ ausgesetzt, diagnostizieren die „Bielefelder Entwicklungssoziologinnen“ Veronika Bennholdt-Thomsen, Maria Mies und Claudia v. Werlhof. Der ganze Trikont? Nein, die Frauen einer kleinen Stadt Südmexikos hören (...)

radiX, Nummer 1

MAI — die Perfektionierung des kapitalistischen Systems

Dezember
1998

Was ist das MAI? Das MAI (= Multilaterales Abkommen über Investitionen) ist ein Abkommen, welches seit Mai 1995 — also seit mehr als 3 Jahren — in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der die 29 reichsten Industrieländer (auch Österreich!) angehören, verhandelt (...)

Claudia von Werlhof (* 17. Mai 1943 in Stahnsdorf, Landkreis Teltow[1]) ist eine deutsche Soziologin und Politologin. Sie hatte die erste Professur für Frauenforschung in Österreich inne, angesiedelt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Abitur 1963 in Köln studierte Werlhof Volkswirtschaft und Soziologie in Köln und Hamburg. 1968 erreichte sie den Diplom-Abschluss in Volkswirtschaft und Soziologie. 1968 bis 70 folgte ein Promotionsstipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung in El Salvador und Costa Rica. 1974 wurde sie an der Universität zu Köln im Fach Soziologie promoviert. 1974/75 war sie Lehrbeauftragte am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt am Main. Von 1977 bis '79 forschte sie in Venezuela.

Von 1975 bis 1986 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik, wo sie zusammen mit Veronika Bennholdt-Thomsen das Praxisfeld Frauen und Dritte Welt mitaufbaute. 1984 habilitierte sie in Politikwissenschaft an der Universität Frankfurt mit einer Arbeit über die Frauen- und Agrarfrage in der Dritten Welt. Sie war Lehrbeauftragte und Gastprofessorin an verschiedenen in- und ausländischen Universitäten. 1988 wurde sie als Ordinaria für Politisches System Österreichs mit besonderer Berücksichtigung der Frauenforschung an das Institut für Politikwissenschaft der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck berufen. Es war in Österreich die erste Professur für Frauenforschung. 2011 wurde Claudia von Werlhof emeritiert.[2]

Claudia von Werlhof ist Mutter eines Sohnes.[3]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Anfang an war Claudia von Werlhof in der Frauenbewegung engagiert. Sie gilt als Mitbegründerin der Frauenforschung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie beschäftigte sich in Forschung und Publikationen mit den theoretischen und politischen Fragen der Frauenbewegung und der feministischen Theorie.

Zusammen mit Maria Mies und Veronika Bennholdt-Thomsen ist sie Mitbegründerin des Ökofeminismus und entwickelte die feministische Bielefelder Subsistenzperspektive, die den Subsistenzansatz von Georg Elwert et al. aufnahm und betonte, dass die Subsistenzproduktion nicht nur in Entwicklungsländern ein wichtiger Bestandteil ist, sondern auch in kapitalistischen Gesellschaften des Zentrums eine große Rolle spiele: Die Hausarbeit von Frauen senke die Reproduktionskosten des männlichen Lohnarbeiters und subventioniere somit den kapitalistischen Sektor.[4] Sie knüpften damit an die Debatte um die Hausarbeit an, die in den 1980er Jahren in der Frauenbewegung geführt wurde, verbanden die Frauenfrage mit der Dritte-Welt-Frage, später der Ökologiefrage,[5] und widerlegten in empirischen Studien, dass Subsistenzproduzentinnen in der Dritten Welt nach und nach zu Lohnarbeiterinnen würden. Vielmehr werde die Arbeit zurückgedrängt in den häuslichen Bereich, wo Frauen für geringen Lohn für den Weltmarkt produzieren. Diesen Prozess nannten die Bielefelder Soziologinnen Hausfrauisierung.[6] Sie analysierten, dass die Subsistenzproduktion, die der unmittelbaren Schaffung und Erhaltung von Leben diene, einem ständigen gesellschaftlichen Entwertungsprozess unterliege, der laut Werlhof verknüpft sei mit dem neuzeitlichen Naturverständnis, und nicht geschlechtsneutral sei. Subsistenzökonomie als Schaffung der Lebensgrundlagen nicht nur in traditionellen Gesellschaften könne nicht verschwinden, sondern werde der kapitalistischen Warenökonomie untergeordnet. Mit der Entwertung der Subsistenz gehe die Entwertung der Menschen einher, die mit ihr verbunden sind. Werlhof und ihre Mitstreiterinnen sahen ihren Ansatz als kritische Gesellschaftstheorie, es ging ihnen zugleich darum, diese Wirklichkeit zu verändern. Unter Subsistenzperspektive verstanden sie Regionalisierung und Wertschätzung der an Subsistenz orientierten Versorgungswirtschaft auch unter globalisierten Bedingungen und damit Stärkung der Frauen, die diese als Subsistenzproduzentinnen leisten. Dabei könne es in der Subsistenzökonomie auch Geld, Handel und Märkte geben. „Dieser Ansatz öffnete mit seinem spezifisch methodologischen Bezug das Feld für eine internationale Perspektive der feministischen Forschung, die die Bewohnerin des Kölner Frauenhauses ebenso in den Blick nimmt wie die venezolanische Bäuerin oder die indische Heimarbeiterin.“[7] Die Bielefelder Subsistenzperspektive wurde innerhalb und außerhalb der wissenschaftlichen Forschung weiterentwickelt, verschiedene Gruppen und Initiativen bezogen sich auf ihn, was 1995 zur Gründung des Instituts für Theorie und Praxis der Subsistenz e.V. in Bielefeld führte.[8]

Um den Subsistenzansatz entzündeten sich kontroverse Debatten in der Frauenbewegung. So warf die Sozialpädagogin Iman Attia dem Ökofeminismus und der Subsistenzperspektive von Werlhof und ihren Mitstreiterinnen eine Mythologisierung der Hausfrau und Mutter vor, die die Unterdrückung, die sie zu bekämpfen versuchen würden, nur verstärke.[9] Die Betonung der weiblichen Subsistenzwirtschaft durch die Autorinnen stehe im Gegensatz zur Emanzipation durch Teilhabe an Erwerbsarbeit[10], die für von Werlhof und andere Vertreter der kritischen Patriarchatstheorie nicht zur Emanzipation, sondern nur zur Verstetigung der patriarchalen Herrschaftsverhältnisse führen werde. Dadurch ergebe sich ebenso ein Widerspruch zwischen der durch von Werlhof repräsentierten klassischen Frauenforschung und dem neueren Ansatz der Gender Studies.[11]

In weiteren Forschungsarbeiten und Publikationen konzentrierte sich Claudia von Werlhof auf Globalisierungskritik sowie zivilgesellschaftliche Alternativen zur Globalisierung, die sie als Dissidenz bezeichnet, und verdichtete sie zu einem „Theorie-Praxis-Ansatz einer kritischen Patriarchatstheorie“.[12] 2007 gründete sie den Verein FIPAZ (Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und alternative Zivilisationen) und 2010 den Verein Planetare Bewegung für Mutter Erde.[13]

Kontroverse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2010 geriet von Werlhof in die Kritik, als sie in einem Interview mit Der Standard eine Verschwörungstheorie ins Gespräch gebracht hatte. Demnach verfügten die Vereinigten Staaten über eine Technik, mittels HAARP künstlich Erdbeben auszulösen, und das Erdbeben in Haiti 2010 könnte dadurch verursacht worden sein.[14][15][16][17] Der Vorstand des Instituts für Politikwissenschaft Ferdinand Karlhofer distanzierte sich von der Verschwörungstheorie, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, und sprach von einem „Schaden“ für den Ruf des Instituts. Werlhof antwortete in einem offenen Brief, dass sie „persönlich und keineswegs im Namen des Instituts ein Interview“ gegeben habe: Daher könne sie dem Institut auch keinen Schaden zugefügt haben. Und sie stellte die Frage in den Raum, ob das „Wissenschaftsverständnis des Instituts“ von „politischen Interessen geleitet“ sei.[18]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artikel

  • Frauenarbeit, der blinde Fleck in der Kritik der Politischen Ökonomie, Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, no. 1, 1978.
  • The failure of the "Modern World System" and the new paradigm of the "Critical Theory of Patriarchy": The "civilization of alchimists" as a "system war", in: Salvatore Babones, Christopher Chase-Dunn (Hrsg.): Routledge International Handbook of World-Systems Analysis, Routledge (Verlag) 2012, ISBN 978-0-415-56364-2, S. 172ff

Herausgeberschaft

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Birgit Seemann: Vom Verhältnis von Staat und Kapital und Patriarchat (Claudia von Werlhof), in: Feministische Staatstheorie. Der Staat in der deutschen Frauen- und Patriarchatsforschung, Verlag Leske und Budrich, Opladen 1996, ISBN 978-3-8100-1675-1, S. 69ff
  • Mathias Behmann et al. (Hrsg.): Verantwortung – Anteilnahme – Dissidenz : Patriarchatskritik als Verteidigung des Lebendigen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Claudia von Werlhof, Peter Lang Verlag, Frankfurt a. Main 2013, ISBN 978-3-631-63979-5

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Deutsches Literatur-Lexikon, Band 130, S. 57
  2. Ulla Bock: Pionierarbeit. Die ersten Professorinnen für Frauen- und Geschlechterforschung an deutschsprachigen Hochschulen 1984–2014, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-593-50301-1, S. 58f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Gerti Seiser, Eva Knollmayer: Von den Bemühungen der Frauen in der Wissenschaft Fuss zu fassen (Band 3 der Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft), hrsg. Bundesministerium f. Wissenschaft und Forschung, 1994, ISBN 978-3-85224-065-7; S. 567.
  4. Ulrike Schultz: Der Subsistenzansatz in Theorie und Praxis, in: Karin Fischer, Gerhard Hauck, Manuela Boatcă (Hrsg.): Handbuch Entwicklungsforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-04790-0, S. 72f. doi:10.1007/978-3-658-04790-0
  5. Andrea Baier: Subsistenzansatz: Von der Hausarbeitsdebatte zur „Bielfelder Subsistenzperspektive“, in: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 75
  6. Maria Mies: Hausfrauisierung. In: Lexikon der Internationalen Politik. 2019, abgerufen am 18. Oktober 2021.
  7. Christa Müller: Parteilichkeit und Betroffenheit: Frauenforschung als politische Praxis, in: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 341
  8. Andrea Baier, in: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung (2010), S. 79
  9. Iman Attia (1991): Wider die Verherrlichung des Weiblichen: Kritik des Ökofeminismus. In: Psychologie und Gesellschaftskritik 15 (3/4), S. 91–122.
  10. Anneliese Braun (2003): Auf der Suche nach einer feministischen Theorie des Wirtschaftens. In: Utopie kreativ 152: S. 543–554.
  11. Veronika Bennholdt-Thomsen: Von Frauenforschung und Frauenstudien zu Gender Studies. In: Mathias Behmann et al. (Hrsg.): Verantwortung - Anteilnahme - Dissidenz : Patriarchatskritik als Verteidigung des Lebendigen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Claudia von Werlhof, Peter Lang Verlag, Frankfurt a. Main 2013, ISBN 978-3-631-63979-5
  12. Würdigungen, Claudia von Werlhof, in: Universitätsleben, Band 24, hrsg. Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, S. 28
  13. Claudia von Werlhof: Menschendämmerung. 14. Februar 2021, abgerufen am 18. Oktober 2021.
  14. Kapitalismus, ein Zerstörungsprojekt, Interview mit Claudia von Werlhof, Irene Brickner, Der Standard/Printausgabe 13.2./14.2.2010
  15. Hans Peter Hye, Krude Weltverschwörungstheorien, Der Standard, 18. Februar 2010
  16. Christian Ortner, Für wen Lichtermeere leuchten, Die Presse vom 19. Februar 2010
  17. Ulrich Berger: Haiti, HAARP und Tesla: Wie Claudia von Werlhof die Frauenforschung demontiert. Scienceblogs, 14. Februar 2010
  18. "Erledigt": Claudia von Werlhofs Erdbebenverdacht, Der Standard, 15. März 2010, abgerufen am 17. Februar 2019