Michael Heinrich

Michael Heinrich, Dr. rer. pol., geb. 1957, Mathematiker und Politologe, 1987 bis 1993 wiss. Mitarbeiter am FB Politische Wissenschaft der FU Berlin, danach Lehrbeauftragter und geschäftsführender Redakteur der PROKLA, 1998 Gastprofessur an der Universität Wien, außerdem als Mitarbeiter der MEGA an der Edition bislang unveröffentlichter Marxscher Exzerpte zur Krise von 1857/58 beteiligt, zzt. Lehrstuhlvertretung an der FH in Berlin, zahlreiche Veröffentlichungen; Arbeitsschwerpunkte: Marxsche Theorie und die Geschichte ökonomischer Theoriebildung.

Im WWW
Oekonomie<i>kritik</i>.de
Beiträge von Michael Heinrich
Streifzüge, Heft 1/1999

Untergang des Kapitalismus? Die ‚Krisis‘ und die Krise

■  Michael Heinrich
März
1999

Überarbeitetes Referat, gehalten an der Universität Wien am 24. Juni 1998 bei der Veranstaltung „Was ist der Wert, was soll die Krise?“. In der Vergangenheit hat der Kreis um die Zeitschrift Krisis, dem auch mein Co-Referent Norbert Trenkle angehört, die über den Wert vermittelte Form der (...)

Context XXI, Heft 2/2000

Globalisierter Konkurrenzkapitalismus

■  Michael Heinrich
April
2000

Was zeichnet die aktuelle Entwicklung von Geld, Kredit und Krise aus? Und was kann die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zur Erklärung der Globalisierung beitragen? In der Rückschau betrachtet, scheinen die 90er Jahre das Jahrzehnt der Geld- und Währungskrisen gewesen zu sein. Die (...)

Streifzüge, Heft 2/2000

Neues vom Weltuntergang?

■  Michael Heinrich
Juni
2000

Replik zu Norbert Trenkles „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf ... Über Michael Heinrichs Versuch, die Marxsche Krisentheorie unschädlich zu machen“ in Streifzüge 1/2000. Über gute Argumente und böse Absichten Als Autor ist man über Besprechungen seiner Arbeiten stets erfreut. Auch wenn sie (...)

Streifzüge, Heft 1/2002

Freie Software und Kapitalismus*

■  Michael Heinrich ▪ Sabine Nuss
März
2002

Freie Software als „Anomalie“ Die Herausbildung weltweiter Verknüpfung von Computern und Computernetzen stellt nicht nur selbst eine neue Kommunikationstechnologie dar, sondern bringt auch sukzessive neue Informationsprodukte, Produktions- und Distributionsformen hervor. Musik, Literatur, (...)

Grundrisse, Nummer 3

Weltanschauungsmarxismus oder Kritik der politischen Ökonomie?

■  Michael Heinrich
September
2002

Replik auf Martin Birkner, „Der schmale Grat“ (grundrisse 1/2002) In grundrisse 1/2002 setzt sich Martin Birkner vor dem Hintergrund der seit den 60er Jahren geführten Marx-Diskussion kritisch mit meinem Buch Die Wissenschaft vom Wert (Münster 1999) auseinander. Birkner unterscheidet zwei (...)

Grundrisse, Nummer 11

Welche Klassen und welche Kämpfe?

Eine Antwort auf Karl Reitters „Kapitalismus ohne Klassenkampf?“
■  Michael Heinrich
September
2004

Schreibt man eine Einführung in ein komplexes Werk, muss man notgedrungen Schwerpunkte setzen. Bei der Auswahl dieser Schwerpunkte und der Art und Weise ihrer Behandlung ist eine gewisse subjektive Färbung unvermeidlich. In meiner Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie drückt sich meine (...)

Beiträge zu Michael Heinrich
Streifzüge, Heft 2/2000

Robert Kurz’ „Schwarzbuch Kapitalismus“

März
2000

Als bekannt wurde, daß Robert Kurz an einem Schwarzbuch Kapitalismus arbeitet, durfte man befürchten, daß er damit in jene Falle tappt, die seit dem Erscheinen des unsäglichen Schwarzbuch des Kommunismus aufgestellt war. Für nicht wenige Kapitalismuskritiker und -kritikerinnen dürfte die Versuchung (...)

Grundrisse, Nummer 1

Der Begriff der abstrakten Arbeit

März
2002

Auf den ersten Blick mag es scheinen, als ob ein Artikel zur Kategorie der „abstrakten Arbeit“ eine Sache für hochgradige SpezialistInnen wäre, die gerne philologische Detailuntersuchungen an Marxschen Texten durchführen. Ja man könnte sogar hinzufügen, derartige Begriffstüfteleien tendieren dazu, den (...)

Grundrisse, Nummer 1

Der schmale Grat

Anmerkungen zu Geschichte und möglicher Zukunft zweier methodologischer Stränge der Marx-Interpretation am Beispiel von Michael Heinrichs „Die Wissenschaft vom Wert“
März
2002

Durch das Erlahmen marxistischer Theoriebildung in den 80er Jahren ist es in Zeiten wie diesen notwendig, sich der Geschichte verschiedener (Weiter)Entwicklungen des Marxismus zu erinnern; einerseits um Fehlentwicklungen nicht zu wiederholen, andererseits um das Rad nicht ein zweites Mal (...)

Grundrisse, Nummer 2

„Gilt“ das „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“?

Eine Einführung in die Problematik
Juni
2002

In der vorhergehenden, ersten Nummer der grundrisse hat Marcus Gassner mit seiner Interpretation der Reproduktionsschemata des II. Bandes des „Kapitals“ die Debatte zum Krisenbegriff eröffnet, die ich nun mit diesem Beitrag ergänzen möchte. Beitrag ist etwas zu viel gesagt, es ist mehr eine (...)

Streifzüge, Heft 3/2002

Die Ware im Zeitalter ihrer arbeitslosen Reproduzierbarkeit

Zur Politischen Ökonomie des Informationskapitalismus
Oktober
2002

Der Siegeszug des Computers hat den vielen Spaltungen der Weltgesellschaft eine neue Dreiteilung hinzugefügt. Milliarden Menschen, insbesondere in der Dritten Welt, bleiben von den Segnungen des Internetzeitalters völlig ausgeschlossen; für einige hundert Millionen Nutzer ist der Rechner (...)

Context XXI, Jahr 2005

Grundlagen der Gesellschaftskritik

Einführende Veranstaltungsreihe der Studienvertretung Politikwissenschaft
Oktober
2005

Wozu Kritik der politischen Ökonomie? (Florian Ruttner) „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut,“ ist seit längerem der Slogan eines Spots der Wirtschaftskammer Österreich, verbunden mit dem Hinweis darauf, was nicht gemeinsam mit der Wirtschaft wachse: Infrastruktur und Bildung, ja (...)

Café Critique, Jahr 2007

Ganz und gar nicht ums Ganze

Ein Kommentar zum „Ums Ganze-Kongress“ in Frankfurt am Main
November
2007

Kommunistische Kritik kreidet der bürgerlichen Gesellschaft nicht an, dass sie Freiheitsrechte hervorgebracht hat, sondern weist darauf hin, dass eine Gesellschaft, die solche Rechte notwendig hat, eine gewalttätige Gesellschaft ist. Diese Kritik richtet sich nicht gegen das Glücksversprechen der (...)

Grundrisse, Nummer 48

„Das Kapital wird identisch mit dem Staat“*

Entstehung und Entwicklung der marxistischen Staatskritik beim frühen Negri**
Dezember
2013

Bereits als Student setzte sich Toni Negri, damals noch stark hegelianisch geprägt, mit staatstheoretischen Fragestellungen auseinander. Seine Doktorarbeit aus dem Jahr 1958 trägt den Titel Stato e diritto nel giovane Hegel, also Staat und Recht beim jungen Hegel. Im Laufe seiner darauffolgenden (...)

Grundrisse, Nummer 50

„Das Kapital“ lesen: der erste Satz

Oder: Das Kapital beginnt mit dem Reichtum, nicht mit der Ware
Mai
2014

Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine „ungeheure Warensammlung“, die einzelne Ware als seine Elementarform. (MEW 23; 49) Einführung Nur wenige der vielen Kommentierungen von Marx‘ Werk „Das Kapital“ erwähnen überhaupt den ersten (...)

Grundrisse, Nummer 52
Reflexionen über die Entwicklung der Grundrisse (2001 – 2014)

Dreizehn Jahre Grundrisse

Dezember
2014

Nach über dreizehn Jahren stellen wir die grundrisse. zeitschrift für linke theorie und debatte ein. Sie wird nicht sang- und klanglos verschwinden. Es wird uns weiter als Gruppe geben, zu unseren Aktivitäten aber an einem anderen Ort. Ich werde die Geschichte der grundrisse aus meiner Sicht (...)

Streifzüge, Jahrgang 2016

Stimmen zur Wertkritik II

August
2016

In unregelmäßiger Folge veröffentlichen wir: Einschätzungen, Erfahrungen, Ermutigendes, Kritik und Nachdenkliches. Diesmal „Ein Durchgangsstadium mit offener Perspektive“ Mein Engagement mit der Wertkritik in der Prägung durch Krisis und die Streifzüge währte mehrere Jahre lang. In dieser Zeit (...)

Streifzüge, Jahrgang 2017

Kapitale Desorientierung

Christian Ibers Vorstellung vom ersten Band des Marx’schen „Kapital“
Februar
2017

zum Text Meinhard Creydt_Kapitale Desorientierung

Michael Heinrich 2014 in Zagreb

Michael Heinrich (* 1957 in Heidelberg) ist ein deutscher Politikwissenschaftler.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich war von 1987 bis 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin, wo er zum Dr. rer. pol. promoviert wurde. 1998 war er Gastprofessor an der Universität Wien sowie 2003 Vertretungsprofessor an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW). Anschließend war Heinrich Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin. Seit dem Wintersemester 2005/2006 war er bis 2016 wieder an der FHTW tätig, die 2009 in Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin umbenannt wurde. Heinrich hatte in der Frühphase der Edition Marxscher Exzerpte zur Krise von 1857/58 der Marx-Engels-Gesamtausgabe Abteilung 4, Band 14, mitgearbeitet.

Heinrich war bis Oktober 2014 geschäftsführendes und presserechtlich verantwortliches Mitglied der Redaktion von PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft. Er wurde von Ingo Stützle in dieser Funktion abgelöst.

Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Marx'sche Theorie und die Geschichte der ökonomischen Theoriebildung. Heinrich gehört zum Kreis linker Wirtschaftswissenschaftler um den emeritierten Professor Elmar Altvater.

Im April 2018 erschien Heinrichs erster Band einer zuerst drei-, jetzt vierteiligen Marx-Biographie, die das Leben von Marx im Zusammenhang mit dessen Werksentwicklung darstellt.[1] Der erste Band umfasst die Jahre 1818 bis 1841, der zweite die Zeit bis 1845.[2] Im Oktober 2018 wurde das Buch in Brasilien veröffentlicht, im Juni 2019 erschien die englischsprachige Übersetzung, gefolgt von der französischen Ausgabe im September 2019. Im Mai 2021 wurde das Buch in spanischer Übersetzung veröffentlicht. Die weiteren Bände waren ursprünglich für 2020 und 2022 angekündigt.[3]

Theorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich ist ausgesprochener Gegner eines von ihm so bezeichneten „Weltanschauungsmarxismus“, als dessen Protagonist ihm Karl Kautsky gilt. Diese Art von Marxismus sei geprägt durch „einen äußerst simpel gestrickten Materialismus“, „bürgerliches Fortschrittsdenken, ein paar stark vereinfachte Elemente der Hegelschen Philosophie und Versatzstücke Marxscher Begrifflichkeiten“, die „zu einfachen Formeln und Welterklärungen kombiniert“ würden. Weitere besonders hervorstechende Merkmale seien „ein oft kruder Ökonomismus“ sowie „ein ausgeprägter historischer Determinismus, der das Ende des Kapitalismus und die proletarische Revolution als naturnotwendig eintretende Ereignisse betrachtet“.[4]

Fetischismus und Verblendungszusammenhang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dagegen sieht Heinrich in erster Linie Marx als den „Kritiker der über den Wert vermittelten und damit ‚fetischisierten‘ Vergesellschaftung“[5] der das menschliche Dasein begründenden Arbeit. Anknüpfend an den Strukturalismus Althussers und die Kritische Theorie spricht er von einem Verblendungszusammenhang, dem Kapitalisten und Arbeiterklasse gleichermaßen unterliegen. Der Fetischismus ist als Verblendungszusammenhang für Heinrich nicht undurchdringlich, es könne zudem „von einer privilegierten Erkenntnisposition der Arbeiterklasse“[6] ebenso wenig die Rede sein wie von einer bewussten Instrumentalisierung durch das Kapital, weshalb eine moralische Kritik am Verhalten Einzelner nicht zielführend sei.

Monetäre Werttheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich verwirft die vorherrschende „substanzialistische“ Interpretation der Marxschen Arbeitswerttheorie, die Wertgröße unmittelbar „als Eigenschaft einer einzelnen Ware“,[7] nämlich der von Marx definierten „abstrakten Arbeit“ aufzufassen. Heinrich versteht diese vielmehr als monetäre Werttheorie, genau darin liege auch der Marxsche Paradigmenwechsel gegenüber prämonetären Arbeitswerttheorien wie der Klassischen politischen Ökonomie, aber auch der Nutzentheorie des Werts der Neoklassik.[8]

Auch wenn die Wertgröße einer Ware als dingliche Eigenschaft erscheine, sei sie nämlich ein gesellschaftliches Verhältnis, nämlich das Verhältnis „zwischen der individuellen Arbeit des Produzenten und der gesellschaftlichen Gesamtarbeit.“ Das heißt nicht, dass der Tausch den Wert produziere, nur er vermittle aber dieses Verhältnis, nur in ihm „erhalte der Wert eine gegenständliche Wertform“.[9] Heinrich zufolge mussten die Warenbesitzer als Resultat des Tausches Geld hervorbringen, Geld ist also „keineswegs auf praktischer Ebene nur ein Hilfsmittel des Tausches und auf theoretischer nur ein Anhängsel der Werttheorie. Ohne Wertform können sich die Waren nicht als Werte aufeinander beziehen und erst die Geldform ist die dem Wert angemessene Wertform“.[8]

Fall der Profitrate und Krisentheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich verwirft ausdrücklich das Marxsche Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Die Profitrate könne sehr wohl fallen, aber auch steigen – eine dauerhafte Tendenz zum Profitratenfall lasse sich auf der allgemeinen Ebene nicht begründen.[10] Auch lasse sich aus der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus keine langfristige Tendenz zur Zuspitzung der gegenläufigen Momente ableiten: „Krisen sind (…) nicht nur zerstörerisch, vielmehr wird in Krisen die Einheit von Momenten, die (wie Produktion und Konsum) zwar zusammengehören, aber gegeneinander verselbständigt sind (Produktion und Konsum gehorchen unterschiedlichen Bestimmungen) gewaltsam wieder hergestellt.“.[11]

Entschieden weist er daher die von Wertkritikern wie Robert Kurz vertretene These zurück, die Widersprüchlichkeit von Produktions- und Konsumlogik stelle einen „eskalierenden logischen Selbstwiderspruch des Kapitals“ dar,[12] an dem der Kapitalismus zwangsläufig zerbrechen müsse. Die bereits in der Geschichte der Arbeiterbewegung verbreitete Zusammenbruchstheorie des Kapitals habe „historisch immer eine Entlastungsfunktion: Egal wie schlimm die aktuellen Niederlagen auch waren, das Ende des Gegners war letztlich doch gewiss.“ Eine solche finde sich, trotz der Andeutungen in seinem Frühwerk „Grundrisse“, auch nicht bei Marx. Jedoch mache „das Fehlen dieser prophetischen Gewissheiten (…) den Kapitalismus um keinen Deut besser.“[13]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz der breiten Rezeption seiner Herangehensweise stößt Michael Heinrichs Marx-Lesart auf ein zwiegespaltenes Echo. Eine mehrteilige Auseinandersetzung gab es zwischen Wolfgang Fritz Haug und Heinrich.[14] Haug spitzt seine Kritik wie folgt zu: „Da Heinrich die rettende Kritik der marxistischen Überlieferung meidet und sich außerhalb der Geschichte der Klassenkämpfe stellt und die Dialektik der Logik opfert, gerät seine Einführung zur Entführung aus dem Marxismus.“[15]

An der monetären Werttheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans-Georg Backhaus und Helmut Reichelt, Vertreter der Neuen Marx-Lektüre, stellen bei Heinrich „eine absolute Zweiteilung der Ökonomie in naturale Realsphäre, in der keine Waren, sondern Produkte hergestellt werden, und der Sphäre des Austausches“ fest.[16] Heinrich begegnete dieser Kritik in der zweiten Auflage seines Buches zum Wissenschaft vom Wert.

Norbert Trenkle, Vertreter der wertkritischen Gruppe Krisis, schließt sich dieser Kritik an: „diese gesellschaftliche Beziehung wird keinesfalls erst im Tausch hergestellt. Indem Heinrich dies postuliert, geht er nicht über Marx hinaus, sondern fällt im Gegenteil hinter ihn zurück und landet selbst auf dem Boden der bürgerlichen Volkswirtschaftlehre.“[17]

An der Krisentheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Norbert Trenkle wirft Heinrich darüber hinaus vor, „die Kritik der politischen Ökonomie zu positivieren und unschädlich zu machen.“ Heinrichs zentrales Anliegen sei es, jede zusammenbruchstheoretische Implikation aus der Marxschen Theorie herauszusäubern. Dabei verfahre er „geradezu gewaltsam mit den Marxschen Schriften“ und blende „systematisch alle Aussagen aus, die nicht in sein Bild passen“.[18] Eine Replik Heinrichs erschien im folgenden Heft.[19]

Am Verblendungszusammenhang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertreter einer eher klassischen Lesart von Marx kritisieren zudem vielfach, dass der Mensch als Akteur in Heinrichs Konzeptualisierung kaum noch stattfinde, sich die Konflikthaftigkeit im Abstrakten erschöpfe und konkrete Auseinandersetzungen in Form des Klassenkampfes keinen Platz mehr hätten, weil eben alle gleichermaßen der Verblendung durch den Warenfetisch unterlägen. Karl Reitter zufolge überinterpretiere Heinrich damit die Marxsche Formel vom Kapital als automatisches Subjekt. Indirekt leiste Heinrich „dem Gerede vom Verblendungszusammenhang, hinter dessen düsterem Vorhang alle Klassengegensätze irrelevant werden, leider einen gewissen Vorschub.“[20] Heinrich reagiert hierauf mit einer Antwort.[21]

Die Redaktion GegenStandpunkt kritisiert, dass Heinrichs Opposition gegen jede moralische Kritik kapitalistischen Handelns sich in eine Entschuldigung der Kapitalisten für ihr Handeln verwandle, also selbst moralisch werde. Diese lande dabei, „dass an den Agenten des Kapitals und ihrem Ausbeutungsgeschäft unter den gegebenen Eigentums- und Tauschverhältnissen eigentlich nichts zu kritisieren ist: Was sie treiben, ist nach den Regeln des Warentauschs absolut korrekt.“ Ihm sei „offenbar nichts wichtiger […] als die ökonomisch Mächtigen aus der Schusslinie zu nehmen“.[22]

An der Entwicklung der Profitrate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heinrich ist der Auffassung, das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate widerlegen zu können, indem er zeigt, dass durch die Nutzung besserer Technik der Kostpreis sinkt und sich in Höhe dieser Verringerung der Mehrwert erhöht. Klaus Müller hält dagegen, dass man zwar das Verhältnis des Mehrwertes zum Kostpreis der Waren (zum verbrauchten Kapital) als Profitrate bezeichnen könne. Nur sei das nicht die Profitrate, deren tendenziellen Fall Marx begründete. Marx bezog den Mehrwert bzw. die Profitmasse auf das vorgeschossene Gesamtkapital. Müller zeigt, dass die auf den Kostpreis bezogene Profitrate steigen kann, während gleichzeitig die „Marxsche“, d. h. die auf den Kapitalvorschuss bezogene, Profitrate sinkt.[23][24] Laut Müller wäre Heinrich damit am Versuch gescheitert, den tendenziellen Fall der (Kapitalvorschuss-)Profitrate formallogisch zu widerlegen.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition. VSA-Verlag, Hamburg 1991, ISBN 3-87975-583-3 (Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1990) (7. erweiterte Auflage, Westfälisches Dampfboot, Münster 2017, ISBN 978-3-89691-454-5, 2022 Grundlage der 9. Aufl.).
  • Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung in „Das Kapital“ von Karl Marx. 15. Auflage. Schmetterling, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-89657-041-3 (Erstausgabe 2004).
  • Wie das Marxsche Kapital lesen? Schmetterling Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-89657-051-2.
  • Wie das Marxsche Kapital lesen? Bd. 2, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-89657-053-6.
    • engl. Übersetzung: How to Read Marx’s ‘Capital’. Commentary and Explanations on the Beginning Chapters. Monthly Review Press, New York 2021, ISBN 978-1-58367-894-7.
  • Ce qu'est Le Capital de Marx : Le Capital après la MEGA ; Les éditions françaises du Capital, Paris 2017, ISBN 978-2-35367-034-5.
  • Karl Marx und die Geburt der modernen Gesellschaft. Biographie und Werkentwicklung. Band 1: 1818-1841, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2018, ISBN 3-89657-085-4.
    • engl. Übersetzung: Karl Marx and the Birth of Modern Society: The Life of Marx and the Development of His Work. Volume I: 1818-1841, Monthly Review Press, New York 2019, ISBN 978-1-58367-735-3.
    • frz. Übersetzung: Karl Marx et la naissance de la société moderne, tome 1, 1818-1841, Les Éditions sociales, Paris 2019, ISBN 978-2-35367-044-4.
    • spanische Übersetzung: Karl Marx y el nacimiento de la sociedad moderna. Biografía y desarrollo de su obra. Volumen I: 1818-1841, Akal, Madrid 2021, ISBN 978-84-460-4996-8.

Herausgeberschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mit Dirk Messner: Globalisierung und Perspektiven linker Politik. Festschrift für Elmar Altvater zum 60. Geburtstag. Westfälisches Dampfboot, Münster 1998, ISBN 3-89691-443-X.
  • Mit Werner Bonefeld: Kapital & Kritik: Nach der „neuen“ Marx-Lektüre. VSA-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-89965-403-5.

Artikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. http://marx-biografie.de/
  2. Marx and the Birth of Modern Society: An Interview with Michael Heinrich, veröffentlicht im November 2020 auf jhiblog.org.
  3. Archivierte Kopie (Memento vom 9. November 2017 im Internet Archive) Blog auf theorie.org, abgerufen am 8. November 2017
  4. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 23.
  5. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 10.
  6. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 77.
  7. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 52.
  8. a b Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 62.
  9. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 54.
  10. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 152 und Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert. 2. Auflage. 1999, S. 327 ff.
  11. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 174.
  12. Robert Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft. Ullstein, München 2001, S. 731 f.
  13. Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. S. 175–178.
  14. Eine Dokumentation der verschiedenen Diskussionen mit Antworten durch Heinrich findet sich auf seiner Internetseite unter http://www.oekonomiekritik.de/debatten.htm
  15. Wolfgang Fritz Haug: Zur Kritik monetaristischer Kapital-Lektüre. Teil II: Logik und Praxis bei Heinrich. In: Das Argument. 258, 46. Jahrgang, Heft 6, 2004, S. 865–876.
  16. Backhaus/Reichelt 1995, S. 68.
  17. Norbert Trenkle: Im bürgerlichen Himmel der Zirkulation. In: Streifzüge. 3/2000.
  18. Norbert Trenkle: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Über Michael Heinrichs Versuch, die Marxsche Krisentheorie unschädlich zu machen. (Memento vom 2. Dezember 2005 im Internet Archive) In: Streifzüge. 1/2000.
  19. Michael Heinrich: Neues vom Weltuntergang? Replik zu Norbert Trenkle „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf... Über Michael Heinrichs Versuch, die Marxsche Krisentheorie unschädlich zu machen“ In: Streifzüge 2/2000, S. 4–8.
  20. Karl Reitter: Kapitalismus ohne Klassenkampf? zu Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. In: Grundrisse. 11, Herbst 2004, S. 26–34.
  21. Michael Heinrich: Welche Klassen und welche Kämpfe? Eine Antwort auf Karl Reitters „Kapitalismus ohne Klassenkampf?“, in: grundrisse 11, Herbst 2004, S. 35–42.
  22. GegenStandpunkt: Wie man „Das Kapital“ nicht schon wieder neu lesen sollte. In: GegenStandpunkt. 2/08.
  23. Klaus Müller: Profit. PapyRossa Verlag, Köln 2016, ISBN 978-3-89438-606-1, S. 111–124.
  24. Klaus Müller: Auf Abwegen. Von der Kunst der Ökonomen, sich selbst zu täuschen. PapyRossa, Köln 2019, ISBN 978-3-89438-714-3, S. 279–282; 324–326.