Aufklärung als AnTITOtalitarismus
Die Thematisierung von „antifaschistischen Gräueltaten" fungiert in Kärnten/Koroska als Instrument revisionistischer Deutschnationaler. Aber auch die SPÖ beteiligt sich an der Relativierung der NS-Verbrechen.
Die traditionelle Vorgangsweise der Institutionen und pressure groups in Kärnten/Koroska, die das Erbe des Nationalsozialismus angetreten haben, stieß bisher an Grenzen, da zum einen insbesondere jüngere Menschen offene Leugnungen und Verharmlosungen der NS-Verbrechen nicht bedingungslos mittragen wollten, und zum anderen auch im südlichsten Bundesland die österreichischen Gesetze gelten. Die Gratwanderung an den Grenzen des Verbotsgesetzes hat Strategien hervorgebracht, die es der extremen Rechten erlaubt, Elemente ihres bisher geführten Geschichtsdiskurses auch in vermeintlich aufgeklärten Bevölkerungsgruppen zu verankern.
Dass sich der Kärntner Heimatdienst (KHD) und andere revisionistische Organisationen seit dem Zusammenbruch des Dritten Reichs dazu berufen fühlen, den Kampf der PartisanInnen zu dämonisieren, ihr gesamtes Tun als Verbrechen abzuwerten und gegen die slowenische Minderheit zu hetzen, ist keine Neuigkeit. Die Opfer des Nationalsozialismus finden in diesem Diskurs mittlerweile allerdings größere Beachtung. Das hat aber nichts an der ursprünglichen Absicht der rechtsextremistischen Organisationen geändert, die nach wie vor auf einen Freispruch für die deutsch-österreichische Volksgemeinschaft hinarbeiten.
In diesem Sinne ist die von der extremen Rechten unter Federführung des Landeshauptmanns Jörg Haider sowie des Landesschulratspräsidenten Zechmann auf die Beine gestellte Wanderausstellung Die Partisanen in Kärnten. Kämpfer gegen den Faschismus. Kämpfer für ...? zu verstehen. Die vom Kärntner Landesarchiv zusammengestellte Schau, mit der auch die SchülerInnen der Mittelschulen zwangsbeglückt wurden, spiegelt das Muster wieder, dem sich der modernisierte Rechtsextremismus heute bedient. So werden die Deportationen und Enteignungen von knapp tausend SlowenInnen im ersten Teil der Ausstellung zwar dargestellt, allerdings nicht ohne auf die „quellenkritischen Vorbehalte“ zu verweisen, wie sie von den GegnerInnen der ersten Wehrmachtsausstellung hinlänglich bekannt sind (Zuordnung von Bilddokumenten etc.). Fortgesetzt werden diese „Vorbehalte“ mit einer Denunziation der bekannten Literatur über und von PartisanInnen als „heroisierende Rechtfertigungsliteratur“ und „politische Instrumentalisierung des Partisanenkampfes“. Die Mittäterschaft der Kärntner Zivilbevölkerung an den NS-Verbrechen wird dadurch entsorgt, dass behauptet wird, die ZivilistInnen hätten sich stets „zwischen den Fronten“ befunden und wären am Tag von den Nazis, in der Nacht von den PartisanInnen terrorisiert worden. Sie seien von Sondergerichtsverfahren, Hinrichtungen und Verhaftungen durch die „NS-Machthaber“ genauso bedroht gewesen wie von der „Beraubung und Brandstiftung“, „gewalttätigen Übergriffen und Mord“ durch die PartisanInnen. Zum wiederholten Male werden den TitokommunistInnen „Gräueltaten“ vorgeworfen. Sie hätten „auf dem Gebiet der heutigen Republik Slowenien in den ersten Wochen nach dem Kriegsende mehr Menschen getötet als in den vier Kriegsjahren von 1941-1945. (...) Die Zahl der in Massengräbern verscharrten Toten dieser Nachkriegsmassaker wird auf weit über 100.000 geschätzt.“ Auf diese Weise ist es möglich, sich selbst als Opfer darzustellen.
Solche Geschichtsdarstellung in ihrer Unverfrorenheit noch zu überbieten ist schwierig, in Kärnten/Koroska aber durchaus möglich. Carl-Gustav Ströhm von der Jungen Freiheit und Andreas Mölzer von Zur Zeit legten sich ins Zeug und gestalteten die Filmdokumentation In der glühenden Lava des Hasses — Die Nachkriegsverbrechen der Tito-Partisanen zwischen Karawanken und Hornwald, welche zwar nicht österreichweit ausgestrahlt (eine entsprechende Intervention seitens der Kärntner Landesregierung wurde vom ORF abgewiesen), aber mittlerweile auf ein fünfteiliges Projekt ausgedehnt wurde.
Der Anlass für die Entstehung der Ausstellung und des Filmes war eine von Gerhard Roth produzierte ORF-Dokumentation über Die Kärntner Partisanen. Diese wurde im April 2002 in der Reihe Brennpunkt gesendet. Obwohl es sich bei dem Film um eine sehr zurückhaltende Darstellung der Fakten handelt, wurde sie von heimattreuen Verbänden wie dem KHD, zahlreichen Kommentatorinnen, unzähligen LeserbriefschreiberInnen und der FPÖ als eine „völlig einseitige und Kärnten pauschal diffamierende Dokumentation“ (FPÖ) dargestellt. Die Kampagne gipfelte einerseits in einer Beschwerde bei dem Bundeskommunikationssenat, welcher teilweise Recht gegeben wurde, andererseits in neuen geschichtsrevisionistischen Initiativen.
Modernisierte Totalitarismustheorie
Eine andere, aber kaum weniger problematische Form der Auseinandersetzung mit dem antifaschistischen Widerstand in Kärnten bietet die in Slowenien und Kärnten/Koroska entstandene und kürzlich in Villach gezeigte Ausstellung Unter Hakenkreuz und Titostern. Die Tatsache, dass die Ausstellung zuerst in zwei Orten in Slowenien gezeigt wurde, bietet für die reaktionären Eliten einen idealen Anknüpfungspunkt an die aufbrechenden Diskussionen um den jugoslawischen Realsozialismus, welche maßgeblich von Opfern der kommunistischen Machtübernahme und deren Nachkommen in Gang gesetzt wurde. Obwohl die Geschichtsauslegung der NS-Kollaborateure des rechten slowenischen Lagers, den Domobranci, welche ihren Eid auf Adolf Hitler geschworen hatten, nach dem Krieg keinen großen Anklang mehr fand, und auch der antifaschistische Konsens nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens weitgehend aufrecht erhalten werden konnte, wird heute durch die beiderseitige Aufrechnung der Taten und durch eine Versöhnungsrhetorik ein neues Geschichtsbild entworfen.
Die SPÖ Villach unter ihrem Bürgermeister Manzenreiter hat diese Ausstellung ermöglicht und stellt sie als Kontrapunkt zu jener des Landes Kärnten dar. Auf diese Weise wird ein Raum geschaffen, in dem breitere Bevölkerungsschichten einen Zugang zur Thematik finden. Werden geschichtsrevisionistische Inhalte nicht mehr von den Heimatverbänden verbreitet, deren Darstellungen bei vielen als „polarisierend“ in der Kritik stehen, können sie als wissenschaftliche Erkenntnisse wahrgenommen werden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Ausstellungsteil über den Nationalsozialismus in Kärnten/Koroska mit Alfred Elste von jenem Historiker zusammengestellt wurde, der durch seine Bücher einen entscheidenden Beitrag zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Kärnten/Koroska geleistet hat.
Der totalitarismustheoretische Zugang und die Relativierung von NS-Verbrechen zeigt sich schon am Untertitel der Ausstellung: Eine bilaterale Konfrontation mit nationalen Feindbildern, totalitären Ideologien und Parteidiktaturen am Beispiel Kärnten und Slowenien. Dass die Verantwortlichen in der Einleitung des Ausstellungskatalogs mehrmals betonen, mit der „parallelen“ Darstellung von Nationalsozialismus und „Partisanenterror“ keine Aufrechnung betreiben zu wollen, nützt da nicht viel. Zumal das Gedenken an die mehrheitlich kommunistischen PartisanInnen, die HeldInnen des antifaschistischen Kampfes, als eine „Verklärung“ denunziert wird. Kritik erfährt die Ausstellung aber auch aus dem ohnehin marginalisierten liberalen Lager im Land nicht, das sich als Ziel jeglicher Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus stets nur eine „gemeinsame friedliche Zukunft im vereinten Europa“ vorstellen kann.
Die wahnhafte Vorstellung von einer „Bedrohung“ für die Einheit (Deutsch-)Kärntens, die auf den jugoslawischen Gebietsansprüchen nach dem Sieg der Alliierten beruht, konnte bis heute konserviert werden und spukt weiterhin in den Köpfen vieler Einsprachiger herum. Verständlich, dass vor allem progressive SlowenInnen defensiv reagiert haben und fortgesetzter Benachteiligung dadurch entgegen traten, dass sie den von ihnen geleisteten Widerstand als Teil des Kampfes für das „demokratische Österreich“ deklarierten, welcher nicht zuletzt eine Bedingung der souveränen Wiederherstellung Österreichs war. Sie griffen damit die Argumentation der österreichischen PolitikerInnen in den Verhandlungen über den Staatsvertrag auf.
Heute wird die Auseinandersetzung mit den RevisionistInnen in immer defensiverer Form geführt. So wird zum Beispiel der Kampf der Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee fälschlicherweise auf einen Beitrag zum weltumspannenden Ringen der DemokratInnen gegen den Faschismus reduziert. Zu betonen wäre, dass sich die Mehrzahl der Kärntner SlowenInnen unmittelbar nach der Kapitulation eine Zukunft innerhalb des Schutzes jugoslawischer Grenzen wünschte und auch eine sozialistische Gesellschaftsordnung wollte, für die schließlich viele Kärntner SlowenInnen unter Einsatz ihres Lebens gekämpft hatten. Zudem sollte die Absiedlung und Enteignung der in Jugoslawien verbliebenen Deutschen gemäß der AVNOJ-Bestimmungen in Österreich nachvollziehbar gemacht werden, anstatt in den „Alle-waren-Opfer“-Taumel zu verfallen. Die Einebnung zwischen TäterInnen und Opfern kann nur jenen loyalen Söhnen, Töchtern und Enkeln der alten Nazis helfen, die bis heute ihre „Unsere Ehre heißt Treue“-Fahnen bei den Prozessionen zum Landesfeiertag auslüften.
