„Ausbildung von diplomatischem und politischem Personal“
Der Irak hat keine demokratische Tradition und ist seit der Staatsgründung 1921 das Zentrum von Gewalt und panarabischem Nationalismus. Sämtliche Generationen wuchsen mit dieser Ideologie auf und so verwundert es kaum, dass der Aufbau demokratischer Institutionen nicht von heute auf morgen vonstatten geht. Die Konzentrationsregierung unter Allawi konnte das auch nicht sofort erreichen. Immerhin gelang es aber den Irak so weit zu bringen, dass nun erstmals seit Jahrzehnten Wahlen möglich waren.
Es gibt eindeutige Parallelen zum historischen Faschismus in Europa, die vom völkischen Nationalismus bis zum Führerkult reichen.
Das ba’thistische Denken sitzt noch tief in den Köpfen vieler Menschen, die Kontinuitäten sind auch hier im seit 1991 autonomen Kurdistan noch spürbar. Ich erlebe das tagtäglich im Umgang mit den verschiedensten Menschen. Der Ba’thismus wird uns deshalb leider noch lange begleiten. Er ist Teil der politischen Kultur geworden. Zur Zeit erleben wir vor allem im Zentralirak eine Allianz der ba’thistischen Banden mit dem radikalen politischen Islam.
Um die Wurzeln dieser Ideologie auszureißen, müssen wir zu allererst das irakische Bildungssystem radikal ändern. Nur so kann sich langsam eine demokratische Kultur entwickeln. Sonst steuern wir auf eine Situation hin in der es ein Fortwirken des Ba’thismus im politischen Denken gibt. Dass dies nicht so einfach ist, zeigt auch die Erfahrung mit dem Faschismus in Europa. In Deutschland und Österreich sind die Wurzeln des Nationalsozialismus auch heute noch nicht zur Gänze verschwunden. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso etwa ein Jörg Haider in Österreich politische Karriere machen kann.
Das Institut in Suleymania wurde erst 2004 gegründet. In Hawler bzw. Arbil, der zweiten großen Stadt des kurdischen Nordiraks, gibt es bereits seit 5 Jahren ein Institut für Politikwissenschaft. Unser Ziel ist es, eine unabhängige Wissenschaft aufzubauen, kein Ideolgieproduktionsinstitut wie in den Universitäten der Ba’thisten. Dabei sehen wir uns aber einer Reihe finanzieller und politischer Probleme konfrontiert. Wir haben z.B. kaum brauchbare Bücher im Bereich der Demokratieforschung, der Internationale Beziehungen, usw. Hier bräuchten wir dringend internationale Unterstützung.
Noch sind wir klein. Im ersten Semester hatten wir ca. 110 StudentInnen. Wir werden aber mit jedem Semester wachsen. Unser Ziel ist für das erste einmal die Ausbildung von diplomatischem und politischem Personal für den neuen Irak. Gerade in Kurdistan gibt es kaum ausgebildete Beamte und Politiker.
Sie dürfen nicht vergessen, dass wir hier in Kurdistan jahrzehntelang keinen Zugang zu Diplomatie, Politik und Verwaltung hatten. Wenn wir nun gleichberechtigte BürgerInnen des Irak sein wollen, dann haben wir hier viel nachzuholen und müssen erst einmal entsprechendes Personal ausbilden. Das ist eben die erste Stufe zur Etablierung einer kurdischen Politikwissenschaft. Erst wenn wir wirklich kurdische Politiker, Beamte und Diplomaten ausgebildet haben, können wir uns auch verstärkt der kritischen Betrachtung von Politik widmen. Ziel ist es nun vorerst StudentInnen auszubilden, die selbstständig denken und nicht notwendigerweise einer der beiden großen kurdischen Parteien angehören müssen.
Prof.Dr. Albert Issa ist Vorsitzender des Instituts für Poltikwissenschaft der Universität Suleymania.
