Heft 1/2000
Februar
2000

Bombengeschäfte

Die politische Ökonomie des Kosovo-Krieges

Ein Buch von Winfried Wolf — gelesen von

Winfried Wolf analysiert die Ursachen des Golfkrieges vor dem Hintergrund des militärisch-industriellen Komplexes. Er bietet damit ein weiteres Erklärungsmodell neben den bisher in Context XXI veröffentlichten Analyseversuchen.

Das Erklärungsmodell Winfried Wolfs sucht die Gründe für den Kosovokrieg in den Eigenheiten des militärisch-industriellen Komplexes (MIK). Voraussetzung des MIK ist die privatwirtschaftlich organisierte Rüstungsproduktion, die im Kapitalismus entstanden ist. Der Begriff des MIK entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das Zusammenwirken von politischen und wirtschaftlichen Interessen und Entscheidungen seinen ersten Höhepunkt erreicht hatte. Der Begriff spricht eine dreifache, sich wechselseitig bedingende Verbindung an. Erstens jene zwischen militärischer und industrieller Produktion. Zweitens die enge personelle und strukturelle Verbindung zwischen Militär und Industrie. Drittens die Verbindung der Rüstungsindustrie mit der Politik. Um diese Zusammenhänge zu belegen, analysiert Wolf in seinem Buch nicht nur den Kosovokrieg, sondern alle großen Kriege seit den beiden Weltkriegen.

Während Hannes Hofbauer die Kriegsursachen in geopolitischen Interessen an und in Jugoslawien sucht (vgl. Context XXI, Nr. 3/99) und Uli Krug im Kosovokrieg ein absurdes Verhalten eines in die Krise geratenen Kapitalismus sieht (vgl. Context XXI, Nr. 4-5/99), nimmt Wolf eine Zwischenposition ein. Er sieht die Gründe für den Kosovokrieg in den kriegsfördernden Strukturen des militärisch-industriellen Komplexes und damit außerhalb Jugoslawiens. Die einzelnen Akteure handeln aber keineswegs absurd, sondern sehr zielgerichtet. Auch ist der Kriegsschauplatz Jugoslawien nicht rein zufällig. Für die politischen Interessen, die zum Krieg führten, ist es nicht gleichgültig, wo der Krieg stattfindet. Für das europäische Interesse, eine gemeinsame Militärmacht mit Interventionsbefähigung zu entwickeln und die nötige Akzeptanz bei der Bevölkerung dafür zu schaffen, war ein europäischer Kriegsschauplatz sicher notwendig. Nur so konnte der Weg für spätere „humanitäre“ Kriege in aller Welt frei gemacht werden.

In Europa dominieren die politischen Interessen. Hervorzuheben ist hierbei das Interesse Deutschlands, nach der Wiedervereinigung von einer wirtschaftlichen Großmacht auch wieder zu einer militärischen zu werden. Wolf weist vor allem auf die Rolle Deutschlands bei der planmäßigen Zerstückelung Jugoslawiens nach dem Tod Titos hin, die viel zur Schürung von bereits vorhandenen Konflikten in Jugoslawien beigetragen hat und sich deutlich parallelisieren läßt mit der Aufwertung der Bundeswehr zu einem „normalen“ Militär. Leider wird in diesem Zusammenhang, wie häufig in deutschen Publikationen, die Rolle der österreichischen Kriegstreiber, die teilweise den deutschen noch zuvor kamen, zuwenig beachtet.

„Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, ei­ne friedliche Lösung im Kosovo mit militärischen Mitteln durchzusetzen“, sagt Schröder auch noch. Soviel Intel­ligenz muß er eigentlich besitzen, daß er merkt, was er da redet. Wir werden die Hexe nicht verbrennen, aber wir sind aufgerufen, sie zur Läuterung ihrer unsterblichen Seele dem Feuer zu übergeben. — Alles schon mal dage­wesen.

Die europäische Union wurde teilweise durch die deutsche Politik in den Konflikt hineingezogen. Die Kriegsbegeisterung war keineswegs bei allen Staaten der Union von Anfang an vorhanden. Dennoch hat die EU letztlich in zweifacher Hinsicht profitiert. Erstens sind während des Balkankrieges die größten Fortschritte bei der Bildung der WEU als eigenständiger europäischer Arm der Nato erzielt worden. Andererseits hat der Krieg zwar zu einer deutlichen Schwächung des Euro in bezug auf den Dollar geführt, doch führte genau diese Schwächung dazu, daß die schmerzhaften Auswirkungen des Euro auf die Mehrzahl der EU-Ökonomien hinausgezögert wurden. Die Schwächung des Euro stellte für die schwächeren Euro-Länder, die sich einem wachsenden Konkurrenzdruck vor allem seitens der deutschen Industrie ausgesetzt sehen, eine Atempause dar. Ihr eingeengter Spielraum für Exporte in die Euro-Zone wurde durch die verbesserten Exportchancen außerhalb des Euro-Raumes mehr als ausgeglichen.

Interessant ist auch Wolfs Betrachtung der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Rüstungsproduktion. Die Gründung der EADC (European Aerospace and Defence Company) als Herausforderung der Amerikanischen Rüstungsproduktion war bereits in greifbarer Nähe. Führend wären in diesem Zusammenschluß die Dasa und mit ihr deren Mutter Daimler-Chrysler sowie die Deutsche Bank gewesen. Allerdings führte diese Aussicht in den anderen europäischen Ländern zu einer nationalen Konsolidierung der Rüstungsindustrie. Nationale Fusionen haben ein ganz anderes Kräfteverhältnis entstehen lassen. Das wiederum machte für die deutsche Dasa transatlantische Bündnisse attraktiv, wie sie seitens der USA angeboten wurden. Gewinner dieser Entwicklung sind die USA. Sie haben einerseits einen europäischen Konkurrenten verhindert und andererseits einem drohenden Entwicklungsstillstand durch Monopolisierung innerhalb der amerikanischen Rüstungsindustrie entgegengewirkt.

Ein Flugblatt listet für die Jahre 1989 bis 1998 — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — in Deutschland 149 Na­zi-Morde an Ausländern, Obdachlosen, Behinderten und „Linken“ auf. Die demgegenüber vielfache Zahl ernst­hafter Verletzungen und Sachschäden ist dabei nicht berücksichtigt.
Sollte die NATO nicht schon mal ihre Raketen vorbe­reiten, um die Menschenrechte in Deutschland durch­zusetzen?

Hauptgewinner auf dem Gebiet der Militärökonomie sind also die USA. Die Rüstungsindustrie, die jeden Krieg als Showroom für neue Waffen nützt, erwartet Gewinne durch eine Erhöhung der staatlichen Militärbudgets, aber auch durch vermehrte Aufträge vor allem auch aus den neuen und zukünftigen Natomitgliedern, die nun rasch auf US-Standard umstellen. Für die USA, die in diesem Krieg politisch vor allem ihre Rolle als Weltpolizist ausgebaut haben, ihren bereits beim Dayton-Abkommen angemeldeten Führungsanspruch auch in Europa gestärkt und sich auch offiziell endgültig von den Fesseln der UNO befreit haben, trifft am ehesten zu, daß der Austragungsort des Krieges gleichgültig ist. Aber auch die USA konnten mit einem Krieg in Europa politische Ziele verbinden. Der Balkankrieg schadet ökonomisch dem NAFTA-Konkurrenten EU. Hohe Kosten kommen auf die EU durch Wiederaufbau und militärische Präsenz in den Kriegsregionen, deren Konflikte durch den Krieg ja nicht beseitigt, sondern verstärkt wurden, zu. Außerdem ist eine Umlenkung von zivilen zu militärischen Ausgaben in den eine Natomitgliedschaft anstrebenden Oststaaten zu erwarten. Diese schadet der EU, deren Stärke viel mehr in zivilen Industriezweigen liegt. Ein Erfolg der USA liegt auch darin, den Führungsanspruch des neu geschaffenen Euro gegenüber dem Dollar am Finanzmarkt gestoppt zu haben. Inzwischen gibt es sogar Stimmen, die einen Sieg des Dollar durch Vernichtung des Euro für möglich halten.

Wolf zeigt in seiner Analyse die verschiedensten Kriegsgewinnler auf und stellt klar, wer die Verlierer jeden Krieges sind. Hohe Rüstungsausgaben bedeuten letzten Endes immer einen Abzug vom gesellschaftlichen Reichtum.

Winfried Wolf, Bombengeschäfte. Zur politischen Ökonomie des Kosovo-Krieges, Konkret Literaturverlag, Hamburg 1999, 208 Seiten, 183,— öS

Die Rahmen-Zitate sind fol­gendem Buch entnommen: Dietrich Kittner: Aus meinem Kriegstagebuch. Beobachtungen zum Balkankrieg. Neue Impulse Verlag, 127 Seiten, öS 112,—

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