Der Feminismus und sein Anderes
Auch in Bettina Stötzers Buch über antirassistischen Feminismus gibt es einige „blinde Flecken“.
Antirassistische Perspektiven im Feminismus weiterzuentwickeln: Dieses Ziel verfolgt Bettina Stötzers Untersuchung InDifferenzen. Ausführlich und kenntnisreich legt die Autorin die Entwicklungslinien der antirassistisch-feministischen Kritik in der Bundesrepublik dar und kritisiert deren verspätete Aufnahme durch Frauenforscherinnen, die die Einwände lange Zeit als Randthema betrachtet haben. Erst in letzter Zeit sei hier ein „Kurswechsel“ bezüglich der Beachtung von „Differenzen zwischen Frauen“ festzustellen. Stötzer erarbeitet Elemente dieser Kritik: die falsche Gleichsetzung von Rassismus und Sexismus, ein vereinheitlichender Patriarchatsbegriff, die Annahme einer universellen Struktur der Geschlechterdifferenz sowie die Kulturalisierung der „fremden Frau“.
Die Autorin begeht allerdings eine zweifache Fehleinschätzung, wenn sie behauptet, dass „mit der Ausnahme einer relativ umfangreichen Literatur über das Verhältnis von Frauen zum Nationalsozialismus [...] die Phänomene Nation, nationale Identität und Nationalismus im feministischen Diskurs bis in die Mitte der 90er Jahre eher Tabuthemen [waren]“ (43). Gerade die Auseinandersetzung mit NS und Antisemitismus spielt in der Frauenforschung — wie übrigens auch in der aktuellen antirassistischen Debatte — keine herausragende Rolle. Auch in Stötzers Werk führen diese Fragen sowie die Einwände jüdischer Frauen ein Schattendasein. Dass die Autorin den NS als „spezifische Form des Nationalismus“ (43) begreift, illustriert nur zu eindrücklich ein Defizit der Differenzen-Debatte im Allgemeinen: einen Begriff von Antisemitismus und Rassismus zu haben.
Nach der Besprechung der literarischen und theoretischen Entwürfen afro-deutscher Frauen, der interkulturellen Frauenforschung oder des Konzepts der „Dominanzkultur“ von Birgit Rommelspacher geht es Stötzer darum, diese mittels poststrukturalistischer Kritik am binären Denken zu vertiefen. Hierbei bezieht sie sich auf Trinh Minh-has Denkfigur der „un/an/geeigneten Anderen“ sowie Gloria Anzaldúas „mestiza“. Diese würden in ihrer Unabgeschlossenheit keine Festschreibung von Differenzen erlauben. Wiewohl Stötzer zugibt, dass Dekonstruktion „kein Zaubertrunk“ ist, scheint sie doch an dessen magische Wirkung zu glauben. Konkretere Anwendungen liefern da die Arbeiten von Encarnación Gutiérrez Rodríguez, die die postkoloniale Perspektive mit einer Analyse sozialer und institutioneller Praxen verbinden. Dieser Strang der Debatte scheint ergiebiger, denn die an Judith Butler geschulten Theoretikerinnen bleiben vorwiegend bei Gedankenspielen und reproduzieren auf einer abstrakteren Ebene das, was sie dem Multikulturalismus so erbittert vorwerfen: das Zelebrieren kultureller Differenzen.

InDifferenzen — Feministische Theorie in der antirassistischen Kritik. Argument Verlag, Hamburg 2004, 200 Seiten ISBN 3-88619-293-8, Euro 18,40
