Die Wehrmacht im Rassenkrieg
Dieses Buch bringt etwas nahe, näher: die saubere Wehrmacht des Dritten Reichs, die anständige Wehrmacht des Führers Adolf Hitler, die Wehrmacht der „Partisanensäuberungen“, die Wehrmacht des Zweiten Weltkriegs, die Wehrmacht der „zu Unrecht Verdächtigten“, die Wehrmacht des Kurt Waldheim.
Nicht zu Unrecht kommt Reinhold Gärtner dann in seinem Beitrag über Kriegerdenkmäler auch zum Schluß, daß „der Eindruck erweckt wird, daß im Zweiten Weltkrieg Österreich durch die Wehrmacht verteidigt worden sei“, suggerieren doch die Kriegerdenkmäler den Kurzschluß zwischen der Monarchie, dem Nationalsozialismus und dem heutigen Österreich — und nicht nur gewisse Personen und deren Kriegserzählungen.
Auf diese von „männlichen“ Werten getragenen Erzählungen zielt Ela Hornung ab, wenn sie verschiedene Erzähltypen analysiert und ihre Methode an Hand zweier Beispiele anschaulich werden läßt.
Im Beitrag von Walter Manoschek „Partisanenkrieg und Genozid“ wird das Vorgehen der Wehrmacht in Serbien thematisiert. Auch nicht zu Unrecht, denn „an keinem anderen Kriegsschauplatz waren Österreicher in einer solchen Dichte vertreten“. Hier, in Serbien, betrieben „unsaubere“ Wehrmachtsteile eine Vernichtungspolitik gegenüber JüdInnen und ZigeunerInnen, die KommunistInnen kamen erst später dran. So weist Manoschek auf den Befehl des Generals von Schröder hin, der schon sechs Wochen nach Besatzungsbeginn folgendes anordnete: „Die Definition, Registrierung und Kennzeichnung der Juden und Zigeuner mit gelbem Armstreifen, ihre Entlassung aus allen öffentlichen Ämtern und privaten Betrieben, die ‚Arisierung‘ ihres Grundvermögens und die Einführung der Zwangsarbeit“. Sie zählten auch bald zu den Geiseln, in der Besatzungsdiktion und wohl auch in deren Köpfen: JüdInnen und KommunistInnen. Mit dem Beginn des serbischen Widerstandes wurde der Geiselmord dann alltäglich. Der Militärbefehlshaber in Serbien ab September 1941, General Böhme, motivierte in Anspielung auf 1914 seine Truppen folgendermaßen: „Ihr seid die Rächer dieser Toten“ — dieser Ex-Österreicher kannte seine Ex-Österreicher. Die serbische Zivilbevölkerung galt somit als hinterlistiger Feind, der zu büßen hatte: „Massaker waren die Regel, nicht die Ausnahme.“ Und „nach der Niederlage verwandelten sich die führenden Balkanoffiziere zu ideologiefreien, vaterländischen Pflichterfüllern“.
Zumindest als schwierig zu bezeichnen ist der Beitrag von Hannes Heer „Bittere Pflicht“, der sich, frei nach Theweleit, Klein und anderen, auf die Erinnerungs- und Gedächtnisfunktionen oder auch Dysfunktionen konzentriert. Schwierig wegen seiner assoziativen Spekulationen über Texte von Kriegserzählungen, deren Analyse sofort übergeht zu psychoanalytischen Typisierungen der Erzähler, womit deren Nichtverantwortlichsein weiter fortgesetzt wird. Hier wird nachträglich entlarvt, um den zitierten Wehrmachtsangehörigen gegenüber ihre objektive und subjektive Beteiligung ausspielen zu können. Man ist über den Aufwand dafür erstaunt. Schließlich ist Lügen ein alltäglicher Vorgang, umso mehr notwendig für Kriegsverbrecher und Massenmörder gegenüber einem möglichen, manchmal tatsächlichen Strafgericht kurz nach 1945. Hier wären Diskursanalysen der Nachkriegsjahre angebrachter. Nicht Unbewußtheit, nicht Unbewußtsein, im Gegenteil, ein hoher Grad an Bewußtheit setzte Erzählungen in Gange, die bis heute ihren festen Platz in der österreichischen und deutschen Mentalität haben und halten.
Ob die „Erosion der Gewissenskultur“ nach 1918 zum Verständnis beiträgt, da sie ja eine Gewissenskultur vor 1918 vorausetzt, ist nur eine der zugegebenerweise interessanten Spekulationen, aber Identitätspsychologie und totale Macht, Theweleit und Kittsteiner, Kraut und Rüben ist zuviel gewollt. Wenn man das alles fassen will, mit großem Griff, dann geht sehr schnell „die Sprache flöten“. Zitat: „Sie wurden zu Plünderern, Kriminellen, Spionen, Perversen umgemodelt.“ Wie man damals halt so modelte. Eigentlich schade, wegen der interessanten Gedanken.
Wolfram Wette untersucht unter dem Titel „Rassenfeind“ die Ungenauigkeit der Feindbilder in der Wehrmachtspropaganda, wo Antisemitismus und Antislawismus miteinander eng verknüpft im hitlerischen, nationalsozialistischen und SS-Feindbild erschienen. Ob aber das jetzt nur auf Hitler allein zurückging oder nicht, bleibt unerklärt. Er zieht das Fazit: „Indem sie Elemente der rassistischen Ideologie transportierten, wurden die militärischen Befehle selbst zum Träger der NS-Propaganda.“
Weitere wichtige Beiträge kommen von Raul Hilberg, der Erforscher des Churban, Manfred Messerschmidt, Bertrand Perz, Hans Safrian und Christian Streit. — Kaufen und lesen.
Walter Manoschek (Hg.): Die Wehrmacht im Rassenkrieg — Der Vernichtungskrieg hinter der Front. Picus Verlag, Wien 1996, 223 S., öS 298,—
