Grundrisse, Nummer 40
Dezember
2011

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

Vor euch liegt die Nummer 40 der grundrisse, Produkt unserer mittlerweile 10jährigen Redaktionstätigkeit. In den Frühzeiten der grundrisse wären wir wohl nicht auf die Idee gekommen, einen Schwerpunkt mit (Welt)Revolution zu betiteln, da hielten wir es noch mit der Kritik der politischen Ökonomie oder mit Theorien von Staat und Klasse. Nicht, dass dies heute nicht auch Thema so mancher Diskussionen der Redaktion und von Artikeln in den grundrissen wäre, aber die historische Entwicklung zeigt unseres Erachtens deutlich, dass Revolutionen auch nach dem vermeintlichen Ende der Geschichte (wieder) auf der Tagesordnung stehen. Entgegen unserer sonstigen Gepflogenheiten wird dieses Editorial nicht dazu benützt, die Texte der Nummer vorzustellen; der eine oder andere Stehsatz ließe ohnehin kaum ernsthafte Rückschlüsse auf die behandelten Thematiken zu. Auch unser revolutionäres Jubiläumsfest wird, wenn ihr diese Zeilen lest, bereits Geschichte sein. Wohin sich die grundrisse in den nächsten 10 Jahren bewegen werden, kann ebenfalls nicht vorausgesagt werden, zu konstatieren wären allenfalls die Fakten: dass trotz einem zufriedenstellenden Level an Abos und einer unseres Erachtens gleichmäßig hohen Qualität der Texte auch Ermüdungserscheinungen in die Arbeit der Redaktion eingeschlichen haben, dass die personelle und damit verbunde alters- und geschlechtsmäßige „Umverteilung“ nach Teilerfolgen vor einigen Jahren weitgehend ausgeblieben ist, dass die (radikale) Linke hierzulande nach wie vor bestenfalls marginale Rolle in der politischen und sozialen Realität darstellt … Versteht dies ruhig auch als Aufruf!

Jetzt aber genug gejammert, nicht zuletzt wollen wir ja mit diesem Heft die unterschiedlichen Aspekte historischer aktueller revolutionärer Bewegungen beleuchten. Lange Zeit gehörte der Begriff der Revolution zum Kernbestand linker Diskussionen. Wenn wir uns aber die Literatur dazu – selbst in den für die Theorieproduktion der Linken „goldenen“ 70er Jahren – ansehen, so ist jenseits historischer Exegesen und ML-Plattitüden nicht sehr viel zu finden. Nicht zuletzt deshalb sahen wir es als Herausforderung, der Aktualität, aber auch der Historizität des Revolutionsbegriffes und seiner politischen Bedeutungen nachzuspüren. Seine Aktualität ist sicher auch der absoluten Unfähigkeit des zeitgenössischen Kapitalismus geschuldet, auch nur graduelle Verbesserungen in den Lebensverhältnissen der breiten Masse zu schaffen – und das angesichts eines noch nie dagewesenen Standes der gesellschaftlichen Produktivkräfte! Es scheint jedenfalls so, dass sich alles ändern muss, damit es nur ein bisschen besser wird. Kapitalismus und Zukunft sind jedenfalls mittlerweile tatsächlich unvereinbar geworden, und auch in Sachen Demokratie gilt es ganz von vorne (wo immer das auch ist) anzufangen. Die von John Holloway beschriebenen zwei Zeiten der Revolution, die un(ver)mittelbare des aufständischen „Ya basta!“ auf der einen, und jene des langsamen und geduldigen des Neuerschaffens alternativer Ökonomien und Institutionen auf der anderen Seite dürften dabei eher die Untergrenze darstellen im Kampf gegen die „homogene und leere Zeit“ (Walter Benjamin) des Kapitals. Die Occupy-Bewegungen, die Aufstände im arabischen Raum und die kollektiven Aneignungen der Jugendlichen in den europäischen Metropolen laufen noch getrennt voneinander. Gemeinsam aber – nicht vereint! – wären sie unwiderstehlich. Lest! Kämpft! Schreibt! Diskutiert! Hört einander zu! Mischt euch ein – auch bei uns!

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