En Guete z’samme!
Geheim-Depot Schweiz Wie Banken am Holocaust verdienen
Peter Ferdinand Koch, List Verlag, München 1997, 319 S, öS 248,—
Koch geht den vielen Möglichkeiten nach, die sich durch die Zusammenarbeit Schweizer Banken mit Nationalsozialisten eröffneten: von der Plünderung jüdischer Privatkonten durch die Gestapo über Kredite an das Dritte Reich bis zum Raubgold der verschiedenen Zentralbanken, die unter die Herrschaft der Nationalsozialisten kamen. Er nennt viele Namen von beteiligten Personen und deren Fortkommen.
Das erst kürzlich erschienene Buch ist eine bemühte Recherche, die sich aber in vielen Einzelbeispielen verzettelt. Das geht auf Kosten einer durchstrukturierten, zusammenhängenden Darstellung. Koch ist zu sehr der Sprache des Sensationsjournalismus verpflichtet, dadurch entstehende ungenaue Be- und Zuschreibungen verleiten trotz Anmerkungen und einer großen Bibliographie zu Fehlern. So ist das zitierte Buch mit dem Titel „De geldbrunnen van het Nationaal-Socialisme“ von Sidney Warburg, erschienen in Amsterdam 1933, wahrscheinlich eine Fälschung.
So nicht!
Die Schweiz, das Gold und die Toten
Jean Ziegler, C. Bertelsmann Verlag, München 1997, 314 S, öS 295,—
Der Genfer Nationalrat und Soziologe Jean Ziegler steht für die andere Schweiz, was er in zahlreichen engagierten Publikationen schon bewiesen hat. Er verteidigt das Schweizer Volk gegen die Vereinnahmung durch die politische Elite und die Banken und führt Beispiele, Leben aufrechter Demokraten an, die sich gegen die menschenverachtende Asylpraxis und das Geschäft mit dem Dritten Reich auflehnten. Ziegler nimmt sich einen Schweizer Mythos nach dem anderen vor, um das mentale Reduit aufzubrechen. Dazu dient „eine Mentalitätsanalyse der helvetischen Herrschaftsklasse in den Jahren 1939-1945.“ So sagt er den Schweizerinnen klipp und klar, daß nicht das Heer die Schweizer Neutralität und Souveränität gewährleistet und gerettet hat, sondern in allererster Linie der Sieg der Alliierten. Ihnen hat es die Schweiz zu verdanken, nach einem „Endsieg“ der Nationalsozialisten nicht auch verschluckt worden zu sein — und erst in zweiter Linie seiner Rolle als Devisen-, Rohstoff- und Industrielieferant. Ziegler geht speziell auf den Kompensationsvertrag zwischen der Schweiz und Polen im Jahr 1949 ein, dem ein Geheimprotokoll beigefügt war (S. 38 f). Dies zeigt den wunden Punkt der heutigen Diskussion über die „nachrichtenlosen“ Vermögen. Denn die Schweiz und ihre Banken konnten damals sehr wohl Konten polnischen Juden und Jüdinnen zuordnen und diese als Kompensation für in Polen enteignete Schweizer Bürgerinnen verwenden. Gegenüber Nachkommen führten die Banken nur von diesen bezahlte Recherchen durch oder verlangten nicht vorlegbare Dokumente. Beide Instrumente führten zum Erfolg: Man fand nichts.
Auch zitiert Ziegler die Aussage des Reichsbankvizepräsidenten Emil Puhl vor dem Nürnberger Kriegsgericht, in der Puhl betonte, Ernst Weber, den damaligen Präsidenten der Schweizer Nationalbank über die Herkunft des gegen Schweizer Franken getauschten Raubgoldes informiert zu haben.
Zu Recht eine Streitschrift eines Schweizers! Lesenswert.
Bankgeschäfte mit dem Feind
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich im Zweiten Weltkrieg: Von Hitlers Europabank zum Instrument des Marshallplans, Cian Trepp, Rotpunktverlag Zürich 1996, 2. Auflage, 268 S, öS 267,—
Das schon 1993 in erster Auflage erschiene Buch von Gian Trepp ist eine sehr genaue, facettenreiche und seriöse Untersuchung über die Entstehung und die Rolle der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Zweiten Weltkrieg. Ursprünglich wurde die Bank 1930 als Clearingstelle für deutsche Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg in Basel gegründet, außerhalb der Schweizer Gerichtsbarkeit. Trepp wirft Licht auf die finsteren Geschäfte der BIZ im Auftrag der Reichsbank, als deren internationaler Arm und Clearingstelle die BIZ sich gerierte. Das ging soweit, daß der amerikanische Präsident der BIZ, Thomas McKittrick, die USA über Transaktionen falsch informierte, vor allem im Zusammenhang mit dem aus anderen Zentralbanken durch die Reichsbank entwendeten Gold (S. 114 ff). Er verschleierte gegenüber den Alliierten die Rolle der BIZ als Zahlstelle im Goldverkehr der Reichsbank, an dem Schweizer Banken, insbesondere die Schweizer Nationalbank, und die Banken von Portugal und Spanien beteiligt waren. Durch seine Aktivitäten konnte er den Anschein von Neutralität der BIZ wahren, den die Reichsbank so dringend brauchte.
Nach dem Weltkrieg versuchte der US-amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau die Bank aufzulösen, doch sein Einfluß war mit dem Tod Roosevelts dahin. Trepp beschreibt verschiedene Fraktionen des US-Establishments und ihre divergierenden Positionen. McKittrick konnte, nachdem einige Angestellte als Agenten des natrionalsozialistischen Sicherheitsdienstes entlarvt worden waren, seine Weißwäsche und die der BIZ im Klima des beginnenden kalten Krieges durchführen und der Bank eine prominente Rolle als Instrument des Marshallplans sichern.
Ein wichtiges, sauber geschriebenes und gründlich erarbeitetes Buch mit detallierten Quellenangaben und einem Dokumententeil. Höchst empfehlenswert!
Das Gold der Juden
Die Schweiz und die verschwundenen Nazi-Milliarden Tom Bower; aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Klaus Fritz, Norbert Juraschitz, Thomas Pfeiffer, Markus Schurr. Karl Blessing Verlag, München 1997, 416 S, öS 269,—
Das mit Abstand entsetzlichste Buch zum Thema ist das des renommierten Journalisten Tom Bower. Er hat im Auftrag des Ausschusses des US-Senats nach dem Verbleib jüdischen Vermögens gefahndet und hat in den Nationalarchiven der USA, der Schweiz, Großbritanniens und anderen Archiven geforscht. Was er dort fand, dreht einem den Magen um, zumindest mir. Um zu illustieren, was ich meine, ein Zitat von Albert Matter, Direktor der Basler Kantonalbank im Jahre 1952 (S. 17): „Im übrigen hat das Problem ja auch eine Kehrseite: Es sind nicht nur Leute verschwunden, die die Guthaben bei den Banken hatten, sondern auch Schuldner der Banken.“
Der amerikanische Konsul in Basel, Walter Sholes, sagte zu den Tarnfirmen der Nationalsozialisten in der Schweiz und zu deren Konten nach einer Notiz vom Januar 1945, die Schweizer Bankiers hätten sich in „profaschistische Finanzschieber“ verwandelt (S. 63).
Verschleppen, Abstreiten, Gegenanklagen führen, Ausflüchte, Nichtwissen vorschützen, die Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden vor 1945, die Behandlung „nachrichtenloser“ Konten nach 1945: Bis heute muß der Schweizer Elite im Bankenwesen und in der Politik zuerst etwas nachgewiesen werden, damit sie es nach anfänglichem Abstreiten dann doch noch zugibt, um es sogleich wieder zu relativieren. Das ist alles schon längst bekannt? Ja, vielleicht den damaligen Bankvertreterinnen, Politikerinnen und einigen heutigen Historikerinnen, aber nicht der Öffentlichkeit. Das alles dokumentiert Bower, wenn er den Rankünen der Regierungs- und Bankenvertreterinnen nachgeht. Dazu zwei Zahlen: Die Schweizer Goldreserven betrugen 1939 503 Millionen US-Dollar, vier Jahre später bereits 1,01 Milliarden US-Dollar. Der Anmerkungsapparat läßt allerdings zu wünschen übrig.
Ein unglaubliches Stück Mentalitätsgeschichte. Hier geben sich Habgier und Grausamkeit, Heuchelei und Willkür ein Stelldichein. Atemberaubend bösartig — nicht das Buch, sondern das, was es beschreibt!
