Heft 2-3/2004
März
2004

Feministische Differenzen

Jutta Sommerbauer hat ei­ne umfassende Positions­bestimmung und Kritik des postmodernen Feminismus veröffentlicht. Dabei gibt sie nicht nur den Stand der feministischen und post­feministischen Debatte wie­der, die stark vom postmo­dernen Diskurs von Theore­tikerinnen wie Judith Butler geprägt ist, sondern kritisiert deren Ansatz der Differen­zen und Identitäten, die sich letztlich in immer kleinere Identitäten aufspalten ließen und die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedin­gungen und Interessen von Frauen oft außer Acht las­sen. Jutta Sommerbauer geht es dabei nicht darum, zu ei­nem weißen heterosexuellen Mittelstandsfeminismus der Siebzigerjahre zurückzukeh­ren, sondern die problema­tischen Aspekte postmoder­ner Identitätspolitik zu kri­tisieren und dem Beliebig­werden feministischer Theo­rie etwas entgegenzusetzen. Die Differenzen-Debatte eig­net sich für die Autorin in ihrer derzeitigen Form kaum als Anknüpfungspunkt für gesellschaftskritische femi­nistische Belange. Daher wä­re für eine Theorie, „die eine Analyse und Kritik von Ge­sellschaft bezweckt, die Ka­tegorie Geschlecht eine äußerst relevante Kategorie.“ Die Kritik einer univer­sal verstandenen „Schwes­ternschaft“ durch postmo­derne Feministinnen habe dabei zwar eine breitere Thematisierung von Fragen der Sexualität oder Her­kunft von Frauen ermög­licht, zugleich jedoch die Kritik des Geschlechterverhältnisses und der Gesell­schaft in den Hintergrund treten lassen. Die durchaus auch zurecht kritisierte „Ehe“ zwischen Marxismus und Feminismus ist damit von einer mit der Postmo­derne abgelöst worden. „Doch ähnlich wie in frühe­ren Theorien-‚Ehen‘ zeich­net sich eine feministische Unterordung unter die je­weilige Großtheorie ab.“ Dabei reflektiere der post­moderne Feminismus die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur ungenü­gend. Die Verwerfung der sogenannten „Großtheorien“ ist dabei insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Transforma­tion des Kapitalismus, der Staatlichkeit und der Geschlechterverhältnisse, der einen gesellschaftstheore­tisch begründeten Feminis­mus umso notwendiger machen würde, paradox.

Mit ihrer Tendenz zur einseitigen Pluralisierung stellt die Differenzen-De­batte keine überzeugende Lösung der Fragen von Gleichheit und Differenz dar, da sie ihr gesellschafts­veränderndes Potential ver­loren hat. „Abgesehen von der Verharmlosung gesell­schaftlicher Zwänge durch die Strapazierung des Differenzen-Gedankens, entfällt auch eine strukturtheoreti­sche Betrachtung, ein Ein­lassen der Theorie auf die sie umgebenden gesell­schaftlichen Verhältnisse, in diesem Konzept weitge­hend.“

Dieser Kritik stellt Sommer­bauer ihre Forderung nach einem Feminismus „jenseits von Identitätspolitik und Dekonstruktion“ gegenüber. Dass sie hier als positives Beispiel für eine Anbindung an gesamtgesellschaftliche Veränderungspotentiale die Clean Clothes-Kampagne oder Verbindungen zur An­tiglobalisierungsbewegung anführt scheint zwar auf den ersten Blick schwer nach­vollziehbar, allerdings kommt sie auch hier rasch zur Kri­tik, dass Engagement, solan­ge es sich „auf der Ebene von pseudoradikalen Forde­rungen, die an den Staat ge­stellt werden, bewegt oder in moralisierenden Aufrufen zum ethischen Konsum kul­miniert“, kaum revolutionä­res Potential entfalten kön­ne.

Überhaupt tut es dem Buch gut, dass sich die Au­torin im Gegensatz zu „kon­struktiven Kritikerinnen“ nicht ständig bemüßigt fühlt auf Alternativen zu verwei­sen oder mit fertigen Kon­zepten für einen neuen Feminismus aufzuwarten. Ihr Buch ist keine Hand­lungsanleitung für Femini­stinnen, sondern Kritik im besten Sinne des Wortes. Eine solche bezieht ihre Be­rechtigung aus sich selbst und ist damit beste politi­sche Praxis in dürren Zeiten wie diesen.

Jutta Sommerbauer: Diffe­renzen zwischen Frauen. Zur Positionsbestimmung und Kritik des postmodernen Feminismus. Unrast Verlag, Münster 2003, 133 Seiten, EUR 13,—

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