Grundrisse, Nummer 49
März
2014

Geschichtsphilosophie und soziale Bewegungen

Ich habe ein Buch über die Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich geschrieben (Und wir bewegen uns doch 2004, zwischen 1968 und 2000) und eine Fortsetzung davon (Und wir bewegen uns noch, 2011). Auch in meinen anderen Texten nehme ich Bewegungen und Entwicklungen als Beispiele um die Veränderungen des Kapitalismus zu beschreiben: eine Einführung in den so genannten Postoperaismus (2006, gemeinsam mit Martin Birkner) und diese Theorie aus einem queer-feministischen Blickwinkel (Die Körper der Multitude, 2010). So werde ich manchmal in Schubladen gesteckt, mit denen ich gar nicht glücklich bin wie „Sozialwissenschaftler“ oder „Bewegungsforscher“. [1] Mit diesem Text will ich meine Methode und deren philosophische Grundlagen offenlegen. In den historischen Beschreibungen beziehe ich mich auf den „Postoperaismus“, wie er in Empire, Multitude und CommonWealth von Michael Hardt und Toni Negri dargelegt wurde. Ich zitiere auch gerne eine Reihe von Denker_innen, die als „poststrukturalistisch“ gelten wie Judith Butler, Michel Foucault oder auch Gilles Deleuze und Felix Guattari. [2] In meiner Herangehensweise bin ich trotzdem von Georg Friedrich Wilhelm Hegel beeinflusst – oder besser, einer materialistischen Interpretation von Hegel, die sich praktisch nie in direkten Zitaten ausdrückt, aber implizit immer einfließt. [3]

Einleitung

Hegel war der herrschende Staatsphilosoph, der begründete, warum der preußische Staat (oder die christliche Religion in seiner reformatorischen Ausprägung) das zu erreichende Ziel seiner philosophischen Anstrengungen ist. Es gibt allerdings eine linke, subversive Interpretation, die als Ziel nicht den bestehenden Staat, das herrschende System (jetzt das „Empire“) erkennt, sondern revolutionäre Umwälzungen ins Zentrum stellt. Hegel beschreibt eine dialektische Entwicklung mit unterschiedlichen Stadien des Weltgeistes, der im Allgemeinen sein Ziel findet, das ist der Staat oder die Religion. [4] Jedes erreichte Ziel ist aber wieder durchzogen von neuen Widersprüchen und Auseinandersetzungen. Bei mir ist die Gegenwart der Ausgangspunkt und das Ziel, und zwar die aktuelle, zu verändernde Situation, nicht wie bei Hegel das (vor)herrschende System.

Mein Blickwinkel ist der revolutionäre Hegel der Phänomenologie des Geistes oder besser, einer revolutionären Interpretation des jungen Hegel. Hegelphilolog_innen wären wahrscheinlich über meine Interpretation empört, aber ich befinde mich in guter Gesellschaft, wie etwa von Alexandre Kojéve (1975).

In Kojéves Interpretation steht die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft im Zentrum (Hegel 1986, S. 145ff). Selbstbewusstsein kann sich nur entwickeln mit einem anderen Selbstbewusstsein, von dem die Anerkennung kommt. Jedes Bewusstsein hat eine Begierde, diese Begierde wird nur zum befriedigten Selbstbewusstsein, wenn es mit einem anderen Selbstbewusstsein auf Leben und Tod kämpft. Der Herr führt diesen Kampf bis zum Ende, während der Knecht seine Begierde hemmt und sich dem Herrn unterwirft. Der Herr kann aber keine Befriedigung finden und bleibt eine „existentielle Sackgasse“ (Kojéve 1975, S. 36, Hegel 1986, S. 152), weil er (sic) den Knecht nicht als Selbstbewusstsein anerkennt, sondern nur als Ding. Der Knecht bildet aber die Natur um durch Arbeit, nicht für seine eigene Begierde, sondern für die des Herrn. In der Arbeit, in seinem Werk erkennt er seine Fähigkeit, die Welt zu ändern. An diesem Punkt bricht die Herr-Knecht-Dialektik ab und in den folgenden Abschnitten kommt das knechtische Bewusstsein als „unglückliches Bewusstsein“, das Christentum zu sich selbst. Das revolutionäre Moment, das sich der Knecht an Stelle des Herrn setzt und durch Kampf und Anerkennung zum Selbstbewusstsein kommt, entwickelt sich erst im Laufe der weiteren Phänomenologie (Zur Herr-Knecht-Dialektik vgl. auch Foltin 2002, S. 41f, A.M. 2012).

Zentral in diesem Abschnitt sind der Kampf und die Arbeit. Unschwer lässt sich eine marxistische Lesart hinein interpretieren, dass das Entscheidende der Klassenkampf ist. Die Betonung des Klassenkampfes ist ein zentraler Aspekt des so genannten Operaismus. Die Welt, die Geschichte des Kapitalismus wird vom Blickwinkel des Kampfes, des Klassenkampfes und der sozialen Bewegungen betrachtet. Dass der revolutionäre Blickwinkel auch ein wissenschaftlicher Blickwinkel sein kann, will ich im Weiteren zeigen, auch in dem Sinne als Texte in ihrer Interpretation sowohl abhängig sind von den gesellschaftlichen Verhältnissen, aber auch Teil der möglichen Veränderungen. Dass die Geschichte selbst eng mit dem Diskurs über Geschichte verknüpft ist.

Erkenntnis

Der erkennende Blick ist vorerst die völlige Ungewissheit über das, was ist. Warum können wir erkennen, was ein Tisch ist? In Hegels „Phänomenologie des Geistes“ (Hegel 1986, 82ff) wird die sinnliche Gewissheit diskutiert. Ich sehe den Tisch, dann drehe ich mich weg (Nicht-Tisch), und sehe ihn nicht mehr. Die Negation ist das Tun, das Handeln. Ich kann aber darüber reflektieren, ich kann darüber sprechen und weiß, dass es ein Tisch ist. Der Tisch ist im Wissen und in der Sprache aufgehoben (erhalten, zerstört, auf eine andere Ebene, die Sprache gehoben). In der aktuellen Philosophie wird das als Linguistic Turn diskutiert – der Diskurs, die Sprache bestimmt die Wahrheit / Wirklichkeit. Was weiter in diesem erkenntnistheoretischen Akt angelegt ist, ist die Handlung. Nicht nur die Negation ist ein Tun, sondern auch die Verwendung der Sprache, die Reflexion ist Handeln. Die Hegelsche Philosophie ist eine Handlungsphilosophie. [5]

Wieso ist der Tisch aber für unterschiedliche Menschen ein Tisch? Weil wir in sprachlichen und Wahrnehmungskonventionen leben und dadurch den Tisch als Tisch erkennen und bezeichnen. Es existiert zwar das handelnde Subjekt, aber es gibt etwas vorindividuelles, gesellschaftliches, vorgegebene Bedingungen, unter denen Individuen, Gruppen oder Gemeinschaften handeln können und müssen „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (MEW 8, S. 115)

Um wieder einen Schritt zurück zu treten. Der Tisch bleibt ein Tisch, auch wenn ich ihn von verschiedenen Seiten betrachte und alle anderen Menschen (aber auch Tiere) nehmen die feste Materie wahr und erkennen etwas, das konventionell als „Tisch“ bezeichnet wird. Wenn ich allerdings das „Wesen“ oder die „Essenz“ des Tisches erfassen will, muss ich mich auf Sprache oder zumindest Konventionen der Wahrnehmung zurückziehen. Das Allgemeine, bei Hegel der „Begriff“, existiert nur in der Sprache. Ein Einwand gegen diese Überspitzung ist, dass es ein Außerhalb gibt, das unabhängig von gesellschaftlichen oder sprachlichen Konventionen existiert. Ein Stein fällt durch die Schwerkraft zu Boden, unabhängig von einer Wissenschaft, die feststellt, dass ein Stein zu Boden fällt. Es gibt physikalische Gesetzmäßigkeiten, die Masse der Erde bewirkt die Anziehung des Steines (Massen ziehen sich an). Diese Analyse ist aber wieder eine physikalisch / mathematische Verallgemeinerung. Mathematik ist eine Sprache. Dass die physikalischen Gesetze gelten, auch wenn sie niemand beachtet, wird dadurch wissenschaftlich begründet, dass die Beweise wiederholt werden können. Physiker_innen nehmen an, dass sich Massen überall anziehen, nicht nur auf der Erde, sondern auch im Andromeda-Nebel. Allerdings wird es schwierig sein, einen wiederholbaren Beweis dafür zu finden. Tatsächlich ist es nur eine unbewiesene, allerdings sehr starke These, dass die Schwerkraft auch an einem anderen Ort (und in einer anderen Zeit) gilt. Aber selbst diese physikalischen Wahrheiten veränderten sich, die Theorie der Gravitation wurde inzwischen von der Relativitätstheorie in Frage gestellt.

Wieder zurück auf die Erde, physikalisch /mathematische Konzepte sind einfach, so beschränkt in einer eventuellen Versuchsanordnung, dass sie unbezweifelbare Tatsachen zumindest für die Erde bieten. Bei komplexen wissenschaftlichen Phänomenen wird es schon schwieriger. Mathematik und Logik mit ihren Axiomen wurden geschaffen, um uneindeutige Wahrheiten möglichst zu vereindeutigen (was nicht immer gelingt). Empirische (Natur)wissenschaftler_innen schaffen jetzt Versuchsanordnungen, die jederzeit von anderen nachvollzogen werden können und dadurch die entsprechenden Erkenntnisse bestätigen können. Die Daten, die sich aus den empirischen Untersuchungen ergeben, hängen allerdings neuerlich von der Anordnung des Versuchskontextes, also von der Methode ab. [6] Die Vorgaben, die Methoden veränderten sich im Laufe der wissenschaftlichen Entwicklung.

Die Themen, die erforscht werden, sind von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig, konkret von den jeweiligen Schulen, die an den jeweiligen Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen existieren und gelehrt werden. Aber sogar die relativ konservativen Wissenschaftsapparate an den Universitäten verändern sich, angestoßen durch die sozialen Bewegungen. Haraway beschreibt, wie sich die Primatenforschung in den Jahrzehnten nach den 1960ern durch den Einfluss des Feminismus veränderte. Zuerst wurde der Blickwinkel auf bereits bestehende Untersuchungen geändert, es wurden neue Verhaltensweisen „gefunden“, die scheinbar vorher übersehen wurden. Neue Primatenformen wurden untersucht, die andere Verhaltensweisen zeigten. Die vermeintliche männliche Dominanz bei Primaten wurde in Frage gestellt. Damit wurde gezeigt, dass selbst naturwissenschaftliche Ergebnisse von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig sind (Haraway 1995, S. 123ff).

Spektakulär war die „Entdeckung“ von Homosexualität im Tierreich (Bagemihl 2000), die bei fast allen Tierarten, bei manchen sogar dominant vorkommt, aber vorher immer als Ausnahme oder nicht repräsentativ gewertet und nicht weiter berücksichtigt wurde. Diese „Entdeckung“ ist ganz offensichtlich ein Ergebnis der Emanzipationsbewegung der Schwulen und Lesben. [7]

Veränderungen finden in der Wissenschaft normalerweise nur langsam statt. Es ist notwendig, vom herrschenden Forschungsstand auszugehen (sonst „verstehen“ es die Mitforscher_innen nicht). Wenn einmal eine These aufgestellt wurde, kann sie zitiert werden. So ist jeder Fortschritt die Zitierung der vorherigen Ergebnisse, ergänzt durch eigene Thesen, die entweder theoretische Konzepte sind, oder durch empirische Untersuchungen gewonnen werden. Größere wissenschaftliche Revolutionen waren dabei immer mit Revolutionen im gesellschaftlichen Bereich verbunden. Das wurde durch direkten Einfluss der revolutionären Diskurse bewirkt, aber auch durch eine Verschiebung des Personals. Foucault (1971) beschreibt die Verschiebung der Denksysteme an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert von einer synchronen Sichtweise (tableau) zu einer diachronen, einer Entwicklung in der Zeit (Hegel würde darin erkennen, dass die „Zeit“ der Begriff wird, vgl. Kojéve 1975, S. 90ff). Eine Reihe von wissenschaftlichen Revolutionen fanden in den 1950ern und 1960ern statt, in Wechselwirkung mit den Bewegungen vor und nach der „Weltrevolution“ 1968 (Wallerstein 2002, S. 37). Um ein Beispiel aus einem Bereich zu nennen, den ich kenne, ist die Durchsetzung der generativen Grammatik im Sinne von Noam Chomsky, die ausdrücklich keine explizit politische oder gesellschaftskritische Bedeutung hat. [8]

Gesellschaft / Geschichte

Wenn schon die Naturwissenschaften von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig sind, so gilt das erst recht für die Gesellschaftswissenschaften. Die „Versuchsanordnung“ wird von den gesellschaftlichen Verhältnissen beeinflusst, selten lässt sich eine wiederholbare, nachvollziehbare Anordnung herstellen. Gesellschaft verändert sich, ist ständig im Fluss. Eine neuerliche Forschungsanordnung stößt auf neue Bedingungen. Mit der Geschichte, dem, was vergangen ist, erscheint es einfacher. Wenn ich den selben Blickwinkel einnehme, dieselben Quellen, werde ich in der Geschichte zu den gleichen Ergebnissen kommen, aber mit dem Vorbehalt, dass die Geschichtsforscher_in Teil der Quellenlage wird und die Methode legen fest, was als Quelle anerkannt wird.

Als wissenschaftlicher Anspruch bleibt, dass die Methode transparent sein muss. Es gibt Versuche, objektiv zu sein, wenn durch „empirische Studien“ die Daten so beschränkt werden, dass statistisch messbare Werte entstehen. So ist manche Bewegungsforschung das Sammeln von Daten, die Einordnung nach der Größe, ihre innere Struktur und Organisationsform, ihre institutionelle Wirkung (vgl. Rucht 1994). Dabei entsteht ein Bild über die Bewegungen, die eine Distanz suggeriert, die Daten werden sozusagen mit methodischen Stelzen angefasst. Sie sind richtig und wahr, aber hauptsächlich eine Bestätigung der Annahmen, die an die Methode gestellt wurden. In einer enzyklopädischen Aneinanderreihung sind sie oft langweilig. Und es beeinflusst das Bild, das die Wissenschaft auf die Bewegungen hat. Damit will ich nicht behaupten, dass in dieser Sammlung von Daten kein emanzipatorisches Interesse besteht und ich profitierte in meinen Arbeiten von solchen Texten, aber das Verhältnis ist und bleibt distanziert.

Dass es überhaupt so etwas wie eine Bewegungsforschung gibt und geben kann, liegt einerseits an der Existenz der „Neuen Sozialen Bewegungen“ (NSB) in Abgrenzung zur Arbeiter_innenbewegung und Bewegungen, die ihren Ausdruck in politischen Parteien und Organisationen gefunden haben. Umgekehrt ist es so, dass es diese NSBs erst gibt, seit die Wissenschaft darüber schreibt. Allerdings gibt es Ökologiebewegungen oder Frauenbewegungen schon viel früher, sie wurden aber nicht als „neu“ bezeichnet, sondern als Marginalie, die hinter den großen historischen Ereignissen zurücktreten mussten. Es waren die vielfältigen Revolten um und nach 1968, die sowohl die Gesellschaft wie auch die Wissenschaft veränderten. Eine Multitude tauchte auf, die die vereinheitlichenden Repräsentationen in Staat, Nation, Klasse oder Geschlecht in Frage stellten. Die Aktivität der Bewegungen hat sozusagen eine neue Geschichte und eine neue Geschichtsschreibung hervorgebracht.

Was mache ich als Historiker der NSB jetzt anders? Wo doch auch ich abhängig bin von der historischen Situation. Auch ich hätte wahrscheinlich vor einigen Jahrzehnten nicht über „soziale Bewegungen“ geschrieben. Der Unterschied ist, dass meine Methode eine ist, die nicht so tut, als hätte ich mit meinen „Objekten“ nichts zu tun. Sie ist eingebunden in die Bewegungen, in denen ich Aktivist war und bin. Ich möchte die Welt zeigen, wie sie ist, eine Wahrheit produzieren, die nachvollziehbar ist und die Fakten korrekt abbildet. Ich beziehe in der Beschreibung der Fakten Position, obwohl meine Texte gerade auch Teil eines herrschenden (oder besser vorherrschenden) Diskurses sind.

Die Methode ist die Wahrheit und die Methode ist Teil der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Ungewissheit, das Bewusstsein von der Abhängigkeit von der gesellschaftlichen Situation, die sich auch permanent verändert – aus meiner Sicht angestoßen durch die sozialen Bewegungen – diese Relativität von Wahrheit und Wissen macht es für mich möglich, poststrukturalistische Diskussionen ernst zu nehmen. Ich erkenne, dass ich als autonomes Subjekt nicht unbeeinflusst von der herrschenden Situation bin. Umgekehrt zeichne ich trotzdem ein Gesamtbild, gebe„Welterklärungen“ aus meiner Perspektive, die ich als eine revolutionäre Perspektive verstehe. Das widerspricht poststrukturalistischen Annahmen. [9]

Methode

Marxistischen Hegelinterpretationen wird gerne ein historischer Determinismus unterstellt. Die Teleologie, die Zielgerichtetheit wird (nicht von Marx selbst) mit geschichtlicher Gesetzmäßigkeit gleichgesetzt. Prominent war diese Position in der Sozialdemokratie, als sie noch revolutionär war. Vertreter_innen nahmen ein notwendiges historisches Ende des Kapitalismus an und sahen das als Bestätigung für die eigene Politik. Klassenkämpfe waren Beiwerk, die dem Kapitalismus, der als dem Untergang geweiht erachtet wurde, den Todesstoß versetzen müssen. Die logische Konsequenz war passives Abwarten. [10]

Diese Teleologie ist keine Gesetzmäßigkeit, sondern der methodische Ausgangspunkt. Wenn ich etwas schreibe, gehe ich von der gegenwärtigen Situation aus und will dadurch etwas bewirken. Ich schreibe über die emanzipatorischen Bewegungen, um sie zur Geschichte zu machen. Ich gehe von der Zukunft aus, ich erhoffe und wünsche mir eine emanzipatorische Überwindung des Kapitalismus, wende den Blick in die Vergangenheit, sammle und beschreibe die Fakten aus dieser Sicht und komme schließlich in der Gegenwart an. Auch wenn ich länger zurückliegende Ereignisse beschreibe, ist der Diskurs von der gegenwärtigen Situation, den gesellschaftlichen Bedingungen und vorherrschenden Theorien und Diskussionen beeinflusst, aber auch von meinen Wünschen nach emanzipatorischer Veränderung. Mein Ausgangspunkt ist die aktuell zerrissene Situation der Gegenwart mit einer Tendenz zur Revolution, die ich in der bisherigen Entwicklung angelegt sehe.

Aus den Ergebnissen meiner Untersuchungen, beeinflusst vom vorherrschenden Diskurs (in meiner Interpretation des hegelschen „Weltgeists“) und von meinem Blickwinkel, kann ich nachträglich gewisse Gesetzmäßigkeiten feststellen, die eine beschränkte Voraussage auf zukünftige Entwicklungen erlaubten. Es kann aber auch anders sein. Ich versuche immer wieder, die revolutionären und emanzipatorischen Tendenzen heraus zu schälen, um sie zu fördern. [11] Das individuelle Tun von Personen oder Gruppen kann das Geschehen beeinflussen. Wenn es nicht so wäre, wäre es sinnlos, politisch und emanzipatorisch aktiv zu sein. Es würde genügen, zu warten, bis sich die Geschichte erfüllt.

Mit „Teleologie“ wird auch die dialektische Methode verbunden. Das ist kein schematisches Bild, wie es gerne gemalt wird von „These – Antithese – Synthese“, sondern wenn auf schematische Begrifflichkeiten zurückgegriffen wird, dann wäre das „Sein – Tun – Werden“. Zuerst geht es um die Beschreibung der (herrschenden) Strukturen, gegen diese wenden sich die Subjekte, sowohl als Einzelpersonen / Individuen / Subjektivitäten, wie als Gruppen, Organisationen, soziale Felder etc. Sie negieren die herrschenden Strukturen. [12] Hier zeigt sich, dass ich (post)strukturalistische Autor_innen zitieren kann und trotzdem den hegelianischen Blickwinkel beibehalten: Die Beschreibung des „Seins“ ist eine eigentlich strukturalistische Beschreibung, und die Subjektivitäten (die „Negativität“ oder die „Differenz“, das Andere) sind das Thema des Poststrukturalismus, sowohl bestimmt von den herrschenden Verhältnissen wie in ihrer Möglichkeit, die Welt zu verändern. Und der Begriff „Werden“ drückt aus, dass das Ergebnis, das Ziel ein Prozess ist, eine Entwicklung, eine Dynamik. Ich beschreibe einen neuen Zustand, aber nicht als stabiles Ergebnis, was meine Position von der Hegelschen unterscheidet. Wenn ich von einem „Ende der Geschichte“ spreche, dann nur als ein Ende in der aktuellen Gegenwart, nicht in eine Zukunft gedacht.

Einen Unterschied zwischen Poststrukturalismus und der Hegelschen Dialektik möchte ich allerdings aufmachen. Die Entwicklung der Gesellschaft hat eine Richtung, wenn auch nur als Tendenz. Es gibt eine Geschichte mit Fäden, denen sich folgen lässt, nicht nur das vermeintlich ziellose Rhizom von Deleuze / Guattari (1992, S. 13ff). Ich kann Geschichte und Geschichten schreiben. [13] In einem anderen Punkt widerspreche ich Hegel und nehme Position für den Poststrukturalismus. Historisch kommt Hegel immer wieder auf den „Begriff“ zurück. In den politischen Diskussionen bei Holloway und Negri wird dieses Enden in einem Begriff in Frage gestellt: Die endgültige „Vermittlung“, zwischen Begriff und Wirklichkeit, wird bei Hegel im preussischen Staat gefunden, bei Kojève (angeblich) in der stalinschen Sowjetunion und für viele revolutionäre Theoretiker_innen in der staatlichen Verfasstheit des „realen Sozialismus“, Sozialdemokratie oder nationalen Befreiungsbewegungen. Aus der historischen Erfahrung heraus ist dieses Eine, in dem wir in einer neuerlichen Form der Unterdrückung und Ausbeutung landeten, nicht mehr akzeptabel. Holloway löst das Problem, indem er bei der Negation der Negation stehen bleibt (eine negative Dialektik), während Negri kein Ziel, keinen Begriff mehr in einem transzendenten Außerhalb findet (in einer Nation, in einem Staat, in einer Identität), sondern nur im Exodus, in der Verweigerung, in der Ablehnung der leeren und nur noch brutalen Schale der herrschenden Verfasstheit (vgl. Birkner / Foltin 2010, S. 182f.).

Ich würde wie Negri die „Vermittlung“, die bei Hegel sogar als „Versöhnung“ vorkommt, vermeiden, das Zusammenfallen von Ideal und Wirklichkeit, sondern neuerlich das Werden, den Prozess betonen. Es entsteht nicht der eine Begriff, sondern eine Vielfalt von Begriffen, die sich auch immer wieder verändern. Es ist die Kritik an einem entstehenden Allgemeinen zu Gunsten der Verwirklichung der Individuen gemeinsam mit Anderen. Viele Interpretationen von Hegel betonen das (verstaatlichte) Allgemeine. [14] Es ist das Unterschiedliche, das das Gemeinsame ausmacht, um es abstrakt philosophisch auszudrücken: die Differenzen sind der Begriff (darum auch die Multitude). Das Gemeinsame, die Kommunikation, das Leben mit anderen erzeugt die Individualität / Subjektivität im Gegensatz zu einer vereinheitlichten Repräsentation wie Staat, Volk oder anderen starren Identitäten etwa Rasse und Geschlecht. Mein Begriff ist nicht mehr ein Begriff, sondern viele (vgl. auch Virno 2005, S. 102ff).

Ich arbeite in meinen Arbeiten mit Texten, mit Diskursen. Die Kritik, dass diese Beschäftigung nicht materialistisch sei, geht ins Leere, denn ich kann nichts schreiben, ohne mich auf Texte zu beziehen. Auf der anderen Seite sind Begriffe und damit Formen von Texten gesellschaftlich äußerst wirkmächtig, sind wichtiger Teil der Konstitution von Gesellschaften. Symbole und Worte werden zu transzendenten Begründungen von Völkern und Nationen. Angeblich wird die Begründung von Staaten im Nationalismus gefunden, tatsächlich ist es umgekehrt, die Völker und Nationen werden als „imaginierte Gemeinschaften“ zur Legitimation von Staaten produziert (vgl. Anderson 1998). Der größte Teil der wissenschaftlichen Geschichtsproduktion hatte das Ziel die Erzeugung und Bestätigung der Nationen (vgl. Hobsbawm 2004). Die bisherige Geschichtsschreibung als Teil des „Weltgeistes“ war, bis auf Ausnahmen praktisch nur nationale Geschichtsschreibung. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Bedingungen geändert, sowohl durch die vorherrschenden internationalen kapitalistischen Strukturen, als auch die dazu antagonistischen Bewegungen. Nationale Geschichtsschreibungen werden zurückgedrängt, wie Hobsbawm (2004, 209) feststellt: Nationalismus kann inzwischen historisch analysiert werden und wirkt nicht als unreflektierte Methode und Ziel im Hintergrund. Die Wirkmächtigkeit des Nationalismus fällt nicht zufällig mit dem Höhepunkt der idealistischen Philosophie zusammen. Hegel wird hier als der bürgerliche Philosoph sichtbar, während Marx als Sozialrevolutionär Internationalist sein musste. Im Kommunistischen Manifest sehen Marx und Engels den Nationalismus noch als untergeordnet gegenüber dem Internationalismus des Proletariats.

Es gibt auch keine Bewegungen ohne Textproduktion. Über sich nicht selbst repräsentierende Bewegungen wie etwa den Aufstand 2005 in den Banlieues von Paris wird von anderen geschrieben, von Polizeiprotokollen über die „bürgerliche“ Geschichtsschreibung bis hin zu sympathisierenden Linken (vgl. Unsichtbares Komitee 2010 betont die Nicht-Repräsentiertheit dieses und anderer Aufstände). Aus diesem Grund habe ich kein Problem damit, Texte zu verwenden, wenn ich über aktuelle Bewegungen schreibe. Mein Materialismus drückt sich in der Beschreibung der realen Lebensverhältnisse aus und deren Beziehung zu den lebendigen Körpern und nicht in nationalistischer Symbolproduktion (mit der ich mich zwangsläufig beschäftigen muss, weil die historische Bedeutung zwar geringer, aber keineswegs verschwunden ist).

Beispiele

Meine „große Erzählung“ über die sozialen Bewegungen in Österreich seit 1968 (Foltin 2004) ging von dem Ziel aus, die emanzipatorischen Bewegungen zu bestätigen und anzudeuten, dass es möglich ist, den Kapitalismus zu überwinden. Ich habe in der Vergangenheit begonnen und bin in der zerrissenen gegenwärtigen Situation angekommen. Das Buch ist ein Ergebnis meiner Beteiligung an den sozialen Bewegungen. Es will aber auch Teil der aktuellen Bewegungen sein. Nicht umsonst freute es mich, dass in Teilen der autonomen Szene der Wunsch entstand, mehr über die eigene Geschichte zu erfahren. [15] Ich zeigte, dass es eine Kontinuität gibt, dass die aktuellen Bewegungen nicht aus dem Nichts kommen, sondern eine Geschichte und Vorgeschichte haben. Und ich konnte Tendenzen für die Zukunft andeuten, die dazu motivieren sollen, sich weiter an emanzipatorischen Bewegungen zu beteiligen.

„Die Körper der Multitude“ (Foltin 2010) könnte programmatisch den Titel Phänomenologie der Multitude tragen. Es gibt drei große Abschnitte, in „Produktive Körper“ beschreibe ich das Sein als Verhältnis zwischen Natur und Körper, zwischen den Geschlechtern und in der geschlechtlichen Arbeitsteilung des Kapitalismus. In „Subjekt-Werden“ werden die Subjektivitäten verhandelt, beginnend bei „großen“ Subjekten wie die Arbeiter_innenklasse bis hin zu den vielen Feminismen. In der Folge geht es um die konstituierenden Elemente einer Multitude im Werden: das „Gemeinsame“, Körperlichkeit und Wissen, Beziehungen und Kommunikation, dann die „Singularitäten“ oder Subjektivitäten, die sich im Gemeinsam-Sein entwickeln und differenzieren und schließlich zur „Multitude“ werden, die aus der Vielfältigkeit des Alltagslebens besteht, aus den Kämpfen gegen die (vor)herrschenden Strukturen und eine Geschichte erzeugen, die das herrschende System verändert. Die Widersprüche des herrschenden Systems provozieren neue (Klassen)Kämpfe, weil einerseits Autonomie, Vielfalt, Kreativität etc gefordert wird, aber immer wieder begrenzt und eingeschränkt.

Eine Ergänzung zur Bewertung von Personen ist noch notwendig. Ich zitiere solche und schreibe nicht nur anonyme Pamphlete. Rezipierte Autor_innen drücken eine bestimmte Form des Diskurses aus (des Weltgeistes, des general intellect). So war Frantz Fanon Sprecher und Repräsentant der antikolonialen Bewegungen, aber durch die Rezeption seiner Texte schuf er die Verbindung zu den revolutionären Bewegung in den Metropolen (Foltin 2001). So konnte er maßgeblich zur Analyse der entsprechenden Entwicklungen beitragen, die noch bis in heutige Bewegungen und Positionen hineinwirken. [16]

Hardt / Negris Empire (2000) nahm maßgeblich Einfluss auf die globale Protestbewegung um 2000. Umgekehrt ist dieser „Postoperaismus“ aus meiner Sicht die adäquate Sicht auf die herrschende Gesellschaft in ihrer dialektischen Beziehung zu den (nicht nur) revolutionären Bewegungen in der aktuellen Situation, ein Grund, diese und andere Texte, die durch Autor_innen vermittelt werden, zur Diskussion zu stellen.

Die Geschichte verändert sich

Meine Texte sind durch die aktuellen Bewegungen, an denen ich mich beteilige, beeinflusst, genauso wie von anderen Texten, die revolutionäre Ziele verfolgen. Umgekehrt beeinflussen soziale Bewegungen die Geschichte und die Geschichtsschreibung im Allgemeinen. So haben die antikolonialen Bewegungen, aber auch deren Fortsetzung im Antirassismus in den Metropolen des Westens die Geschichte verändert. Die bisher weitgehend ignorierte Haitianische Revolution um 1800 beginnt inzwischen Teil des revolutionären Kanons zu werden (neben der amerikanischen und der französischen Revolution). Sie wurde bisher nicht anerkannt, weil die Kritik des Eigentums nicht ins bürgerliche Denken passte. Das Eigentum rebellierte selbst, die revoltierenden Sklav_innen stellten die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in Frage!

Gerade Hegel schreibt (nicht nur) über Afrika in den schlimmsten kolonialistischen Projektionen (vgl. Hegel 1986a, S. 120ff). Es ist offensichtlich, dass die von Hegel postulierte Universalgeschichte eine Geschichte Europas ist, ein eurozentristisches, rassistisches und imperialistisches Projekt. Aber gerade weil die Wahrheit abhängig ist von den entsprechenden Diskursen, dem „Weltgeist“, ist es möglich, jetzt einen anderen Blick auf die Welt zu werfen, wie Buck-Morss in der Einleitung zu „Hegel und Haiti“ klarlegt: „Gerade wegen seines Insistierens auf der zwangsläufigen gegenseitigen Abhängigkeit von Geschichte und Wahrheit bleibt Hegels Philosophie untrennbar verbunden mit jenen Verdrängungen, durch die der Referent, den wir Hegel nennen, historische Bedeutung erlangte.“ (Buck-Morss 2011, S. 33) Und jetzt kann endlich eine andere Interpretation gefunden werden. Hegel erwähnt die haitianische Revolution nie, aber Hegel erwähnt auch die französische Revolution nie, die unstrittig an einigen Abschnitten festgemacht werden kann. Buck-Morss weist nach, dass Hegel über diese Revolution diskutiert haben muss. Gerade in einer heutigen Sichtweise, nach den antikolonialen Bewegungen und der antirassistischen und postkolonialen Kritik sollte die Haitische Revolution als Verwirklichung der Universalgeschichte, wie sie Buck-Morss sieht, anerkannt werden. Es erscheint einleuchtend, dass die berühmte Herr-Knecht-Dialektik mehr mit einem Aufstand der Sklaven in Verbindung zu bringen ist als mit einer kapitalistischen Arbeiter_innenklasse (wenn mensch die Interpretation unbedingt historisch festmachen möchte). Hegel setzte sich zwar gegen die Sklaverei ein, allerdings nicht in einer schnellen, revolutionären Form, so bleibt er der bürgerliche Philosoph. „Die Sklaverei ist an und für sich Unrecht, denn das Wesen des Menschen ist die Freiheit, doch zu dieser muss er erst reif werden. Es ist also die allmähliche Abschaffung der Sklaverei etwas Angemesseneres und Richtigeres als ihre plötzliche Aufhebung“ (Hegel 1986a, S. 129).

Buck-Morss Sichtweise wurde als Kritik an der westlichen, eurozentristischen und rassistischen Geschichtsschreibung gefeiert. Sie schlägt trotzdem eine Rückbesinnung auf eine Universalgeschichte vor, nicht im Sinne eines eurozentrischen oder androzentrischen Blickwinkels, sondern dass jede lokale, regionale oder partikulare Geschichte auch eine Weltgeschichte ist: so ist die Geschichte des Feminismus, der antikolonialen und antirassistischen Aktivitäten, die Schwulen- und Lesbenbewegung immer auch Weltgeschichte, revolutionär und reformistisch, aufbrechend und die Grenzen des Systems überschreitend oder in die herrschenden Strukturen eingefügt / vermittelt. Die Gemeinsamkeit ist keine, die sich an einzelnen Begriffen, z.B. „Österreich“ oder wie Buck-Morss (S. 149) aufzählt, „England“, „Europa“, „die Aufklärung“, „die Wirtschaft“, „der Fortschritt“, „die Zivilisation“ festmachen lässt, bei denen sich von der jeweiligen historischen Situation her nur um Mythen handeln kann. Sondern eine Multitude, die revoltiert und auch eine Multitude von Begriffen. Fakten lassen sich ohne Begriffe nicht erklären, aber die unterschiedlichen Begriffe zeigen nur eine einzige Gemeinsamkeit, die Gemeinsamkeit der Differenz, das, was bei Hardt / Negri die Multitude ist, als Analysemethode, als Organisationsform der Bewegungen und als Perspektive einer zukünftigen Gesellschaft. Das verstehe ich als neuerliche Verbindung von Philosophie und Geschichtsschreibung. Wie „Empire“, „Multitude“ und „CommonWealth“ sind auch meine Texte „große Erzählungen“, sind Teil der Geschichte als Versuch das herrschende System emanzipatorisch zu überwinden.

Literatur:

  • A.M. (2012): Das Ereignis der Befreiung in Hegels Phänomenologie des geistes oder: Was bedeutet noch einmal Herrschaft. In: grundrisse 43, S. 54-58.
  • Anderson, Benedict (1998): Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin: Ullstein.
  • Bagemihl, Bruce (2000): Biological Exuberance: Animal Homosexuality and Natural Diversity. New York: St. Martins Press.
  • Buck-Morss, Susan (2011): Hegel und Haiti. Für eine neue Universalgeschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp (es 2623).
  • Butler Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Butler Judith (1997): Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Birkner, Martin / Foltin, Robert (2006): (Post-)Operaismus. Von der Arbeiterautonomie zur Multitude. Geschichte & Gegenwart, Theorie & Praxis. Eine Einführung. Stuttgart: Schmetterling Verlag. Theorie.org.
  • Chomsky, Noam (1957): Syntactic Structures.
  • Deleuze, Gilles / Guattari, Félix (1992): Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve.
  • Foltin Robert (2001): Frantz Fanon wiederlesen? grundrisse 1, S. 40-51.
  • Foltin, Robert (2004): Und wir bewegen uns doch. Soziale Bewegungen in Österreich. Wien, edition grundrisse.
  • Foltin, Robert (2010): Die Körper der Multitude. Von der sexuellen Revolution zum queer-feministischen Aufstand. Stuttgart: Schmetterling Verlag.
  • Foltin, Robert (2011): Und wir bewegen uns noch. Zur jüngeren Geschichte sozialer Bewegungen in Österreich. Wien: Mandelbaum, kritik & utopie.
  • Foucault, Michel (1971): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Foucault, Michel (1977): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Foucault, Michel (1983): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Haraway, Hardt, Michael / Negri, Antonio (2000): Empire. Cambridge (Mass): Harvard University Press.
  • Hardt, Michael / Negri, Antonio (2004): Multitude. War and Democracy in the Age of Empire. New York: The Penguin Press.
  • Hardt, Michael / Negri, Antonio (2010): Commonwealth. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press.
  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1986): Phänomenologie des Geistes. Frankfurt am Main: Suhrkamp (stw 603 / Werke 3).
  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1986): Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp (stw 612 / Werke 12).
  • Hobsbawm, Eric (2004): Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Frankfurt / New York: Campus.
  • Holloway, John (2002): Die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen. Münster: Westfälisches Dampfboot.
  • Kojève, Alexandre (1975): Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Frankfurt am Main: Suhrkamp (stw 97).
  • Marx, Karl (1972): Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Frankfurt am Main: Verlag Marxistische Blätter (MEW 8).
  • Rucht, Dieter (1994): Modernisierung und neue soziale Bewegungen. Deutschland, Frankreich und USA im Vergleich. Frankfurt am Main: Campus.
  • Singer, Mona (2005): Geteilte Wahrheit. Feministische Epistemologie, Wissenssoziologie und Cultural Studies. Wien: Löcker.
  • Stirner, Max (1972): Der Einzige und sein Eigentum. Stuttgart: Reclam.
  • Unsichtbares Komitee (2010): Der kommende Aufstand. Hamburg: Nautilus.
  • Virno, Paolo (2005): Grammatik der Multitude. Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensform. Wien: Turia + Kant.
  • Voß, Heinz-Jürgen (2010): Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Bielefeld: transcript.

[1Der ursprüngliche Titel wäre „Geschichtsphilosophie statt Bewegungsforschung“ gewesen, weil ich mich über empirizistische Beiträge zu sozialen Bewegungen geärgert habe. Aber ich schreibe mehr über meinen philosophischen Blickwinkel als über Bewegungsforschung.

[2Hardt / Negri (2000 / 2004 / 2008), Butler (1991 / 1995), Foucault (1971 / 1977 / 1983) , Deleuze / Guattari (1992).

[3Ich habe mich sehr gefreut, als mein erstes Buch „Und wir bewegen uns doch“ (Foltin 2004) in einer Rezension im TATblatt als große Erzählung bezeichnet wurde, das es ja auch ist, obwohl angeblich die großen Erzählungen in der Postmoderne verschwunden sind.

[4Dass das Ziel nicht unbedingt der Staat sein muss, zeigen linkshegelianische Interpretationen wie etwa von Marx oder dem Anarchisten Max Stirner (1972).

[5Die linguistische Pragmatik und die pragmatische Philosophie entsprangen auf mehr oder weniger reflektierte Art aus dieser Hegelschen Philosophie des Tuns.

[6Ich gehe jetzt nicht auf die Veränderungen der Wissenschaft ein, wie sie in wissenschaftstheoretischen Untersuchungen behandelt werden (vgl. Singer 2005, S. 62ff). Dass vor dem 19. Jahrhundert ein Idealbild entscheidend war und später ein vermeintliches „objektives“ außerhalb Stehen und beobachten der Verhältnisse.

[7Die sich verändernde Geschichte der biologisch-medizinischen Definition von „Geschlecht“ wird in Voß (2009) gezeigt. Nicht umsonst erscheinen solche Untersuchungen erst im neuen Jahrtausend, nach dem sichtbaren Auftreten der Transgenderbewegung und queeren Diskussionen.

[8Chomsky wehrte sich dagegen, seine „Entdeckungen“ als unpolitisch zu sehen, er positioniert sich durch seine Idee einer Universalgrammatik gegen jede nationalistische Definition durch die Sprache.

[9Auch wenn es oft bestritten wird, auch viele poststrukturalistische Ansätze sind „Welterklärungen“.

[10Nicht umsonst bevorzugten viele sozialdemokratische Philosoph_innen weniger einen dynamisch-revolutionären Hegelmarxismus, sondern den Neokantianismus, dessen Schwerpunkt auf Bildung und Aufklärung der Individuen liegt und nicht in den (Klassen)Kämpfen.

[11Sehr schön illustriert wird das bei Marx durch den Abschnitt „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“, wo sich in der Überschrift „Tendenz“ und „Gesetz“ zu widersprechen scheinen (MEW 25, S. 221ff).

[12Nicht umsonst zeichnen sich Texte und Theorien der Autonomen dadurch aus, dass sie ein negatives Bild der herrschenden Verhältnisse zeichnen und so die Aktivitäten dagegen begründen.

[13Auch in den Tausend Plateaus gibt es Geschichte und Geschichten, wenn auch mit unerwarteten Wendungen und niemals in einer dauerhaften Vermittlung. Das Buch kommt zu keinem Ende, es bleibt ein permanentes Werden im Hin und Her.

[14Vgl. den Prozess der Individuationsprinzip, das Virno (2005, S. 102ff) an Hand von Simondon beschreibt. Auch Stirner hat diese Problematik auch in der Auseinandersetzung mit Marx aufgeworfen, wie A.M. (2012,S. 54ff) beschreibt: „Diese Polemik zwischen Max Stirner und dem (Links)Hegelianismus, der bekanntlich von Karl Marx in seiner Schrift »Die deutsche Ideologie« fortgesetzt wird, bildet im Grunde bis heute die andauernde Polemik zwischen dem (Staats)Kommunismus und dem Anarchismus; verkürzt gesagt jene Polemik, die darum streitet, ob die (soziale) Befreiung aus dem Herrschaftsverhältnis sich in der Aufhebung des Einzelnen zu Gunsten der Ermächtigung allgemeiner Strukturen und Zusammenhänge ereignet oder gerade durch die Bemächtigung des Einzelnen gegen eine Verallgemeinerung.“ (S. 57f)

[15Ich sehe die Erinnerung an die Vergangenheit ambivalent. Einerseits akzeptiere ich die Argumente Negris, dass Vergessen besser ist, als sich an den Niederlagen der Vergangenheit abzuarbeiten. Ich selbst war manchmal froh, meine Erfahrungen nicht eingebracht zu haben, weil jüngere Menschen dadurch unbelastet zu Aktionen schritten. Ich wäre z.B. 2009 zu Beginn der damaligen Studierendenbewegung in Wien sicher gegen eine Besetzung des Audimax aufgetreten aufgrund von früheren Erfahrungen mit den Sektenstreitereien in diesem ungemütlichem dunklen Loch. Gerade diese Besetzung war aber schließlich entscheidend für die Breite und Ausbreitung der Bewegung.

[16Fanon bezieht sich im antikolonialen Kampf ausdrücklich auf die Herr-Knecht-Dialektik (vgl. Foltin 2001)! Der Herr kann nicht die gesamte Welt erkennen, weil seine Vermittlung zur Natur nur über die Arbeit des Knechtes läuft. Im Gegensatz dazu kennt der Knecht alle Welten, die Welt des Herren genau so wie seine eigene der Arbeit. Und in der Geschichte wird der Knecht als der, der alles erfassen kann, schließlich über den Herrn triumphieren (Hegel 1986, S. 145Ff, vgl. Kojéve 1975)

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