radiX, Nummer 2
Juni
1999

Grüne Kriegshetze

Kaum eine Bewegung hat es schneller geschafft von zumindest teilweise systemoppositionellen Positionen in die Regierungen der Europäischen Staaten zu schaffen. Auch kaum eine Bewegung hat es in der Geschichte so schnell geschafft vom AntimilitaristInnen-Bewegung zur Kriegspartei zu werden wie die Grünen. Aber wir leben in schnellebigen Zeiten.

Ein halbes Jahr nach dem Regierungsantritt einer rot-grü­nen Regierung in Deutschland befindet sich zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg dieses Land wieder direkt im Krieg. Ausgerechnet ein Außenminister Fischer treibt Deutschland in den ersten Krieg seit Adolf Hitler und da die Partei, die aus der Friedensbewegung hervorgegan­gen ist nun einmal eben in der kriegführenden Regierung ist, findet sich in Deutschland auch keine größere Friedesbewegung mehr, die sich dem Kriegstreiben ent­gegenstellt.

Grüner Kriegsherr Fischer

Josef Fischer enttäuscht das in ihn gesetzte Vertrauen der SPD, NATO, ... nicht. Kein Spitzenpolitiker Deutschlands hat in den letzten Jahrzehnten so wenig Rückgrat gezeigt, sich so schnell als „lernfähig“ erwiesen und so deutlich als „regierungfähig“. Die neue deutsche Kriegspolitik paßt dabei in die gesamte Ausrichtung der neuen deutschen Regierung, die die Deutschen wieder zu einem „normalen Volk“ machen will, das „selbstbewußt“ in seine Berliner Republik schreitet.

Die deutschen Grünen haben dazu ihren nicht unwichti­gen Beitrag geleistet, sind damit aber nur am Ende einer Reise angelangt, die schon vor Jahren begonnen hat. Bereits mit der Begeisterung für die Großdeutsche (Wieder-)Vereinigung zeigten die Deutschen Grünen, daß sie echte Deutsche sind.

Nun führen Fischer & Co. ihren Krieg, begründen ihn mit humanistischen Floskeln, bombardieren aber genauso Menschen wie in jedem anderen Krieg. Für die Menschen im Kosovo hat sich durch den NATO „Friedenseinsatz“ die Situation massiv verschlechtert. Nur die Macht Milosevics gelang es bisher zu festigen.

An der Günen Basis akzeptieren jedoch nicht alle den Kriegskurs der Bundestagsfraktion. Bis Ende April haben immerhin rund 200 Mitglieder der Grünen ihre Partei ver­lassen, was bei rund 51.000 Mitglieder aber wiederum relativ wenig ist.

Viele der KriegsgegnerInnen in den Deutschen Grünen dürften aber noch immer der Illusion erliegen ihre Partei durch innerparteilichen Widerstand vom Kriegskurs abbringen zu können. Eine Gruppe von Grünen Bundestagsabgeordneten um Christian Ströbele oppo­niert zur Zeit (noch) innerhalb der Grünen gegen die Kriegspolitik der deutschen Regierung. Eine Reihe lokaler Kreis- und Gemeindeorganisationen der Grünen haben Beschlüsse gegen den Krieg gefällt, einige wollen der Bundespartei sogar die Zusammenarbeit verweigern. Protest manifestiert sich aber deutlicher gegen als in den Deutschen Grünen. Am 7. April hatten verschiedene Linke — u.a. AktivistInnen der JungdemokratInnen der ehemali­gen Jugendorganisation der FDP — die Parteizeintrale der Günen in Bonn besetzt. Mitte April hatten Linksradikale die Landesgeschäftsstelle der Berliner Grünen besetzt und waren daraufhin von diesen mittels Polizei hinaus­geräumt worden, was wiederum Proteste der Kreuzberger Grünen auslöste. Auch Sachbeschädigungen an Grünen Parteibüros wurden bereits vorgenommen.

Grüne international für Krieg

Aber nicht nur die deutschen Grünen sind für den Krieg gegen Jugoslawien. Auch die Französischen Grünen ste­hen mit deutlicher Mehrheit hinter der Regierungslinie und selbst die innerhalb der Föderation der Europäischen Grünen immer als fortschrittlich geltenden Niederländischen „grön-links“ sind inzwischen ins Lager der KriegstreiberInnen gewechselt.

Auch die Italienischen Grünen verbleiben nach anfängli­chen Diskussionen trotz der Beteiligung Italiens am Krieg in der Regierung. Jedoch auch in Italien gibt es laufend Proteste gegen diese Politik der Grünen. Proteste, die von linker Seite, aber auch von der Grünen Basis selbst kom­men.

In Venedig etwa haben drei grüne StadträtInnen, Luana Zanella, Daniele Scarpa und Beppe Caccia zusammen mit dem Vizebürgermeister Gianfranco Bettin aus Protest ihre Mitgliedschaft in der nationalen Föderation der Grünen vorübergehend zurückgegeben und wollen damit der Forderung nach Rücktritt der Grünen Minister Nachdruck verleihen. Zugleich haben sie das Büro der Grünen Venedigs besetzt und in ein Antikriegszentrum umgewandelt. Andere innerparteiliche Proteste und Austritte häufen sich auch in Italien.

... und in Österreich?

Im Vergleich mit ihren Schwesterparteien sind die öster­reichischen Grünen noch vergleichsweise kriegskritisch. Der Grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber dürf­te sich zur Zeit weitgehend mit seiner die NATO-Angriffe verurteilenden Haltung durchgesetzt haben. Trotzdem war von den Grünen bisher wenig zu hören, offizielle Beschlüsse, oder gar Distanzierungen von kriegstreiberi­schen Grünparteien in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden wurden bislang kaum beschlossen. Die erste Erklärung wurde erst am sechsten Kriegstag abgegeben.

Ökologische Katastrophe auf dem Balkan

Selbst eine Reihe von Oberösterreichischen PolitikerInnen der Grünen um Boris Lechthaler, Gabriele Wagner und Harald Schmutzhard, die sich in der innerparteilichen Plattform „Offensiv Grün OÖ“ zusammenge­schlossen haben, meinen dazu in einem Flugblatt: „Es ent­steht der Eindruck, daß diese Stellungnahmen eher der Beruhigung des Parteivolkes dienen. Denn offensichtlich ist auch in der Führung der Grünen die Gegnerschaft zu diesem Krieg keineswegs eindeutig.“

Widerstand gegen den Krieg gibt es vor allem bei einzel­nen Leuten innerhalb der Grünen und bei fortschrittliche­ren Teilorganisationen wie der Grünalternativen Jugend (GAJ) oder den Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS).

Auch wenn sich kein prominenter österreichischer Grüner zur Zeit für die NATO-Schläge ausspricht, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, daß in der Vergangeheit niemand geringerer als der Grüne Bundessprecher selbst sich brüstete „noch nie ein schlechtes Wort über die NATO verloren zu haben“. In einem Interview im Falter sprach sich Van der Bellen noch im Herbst 1998 für NATO-Überflugsgenehmigungen über österreichischen Luftraum aus.

Die Gruppe „Offensiv Grün Oö“ stellt deshalb ihre Position so dar:

Mit Kriegstreibern kann es keine gemeinsame Föderation und Fraktion auf europäischer Ebene geben.
Für uns ist es unvorstellbar,

  • mit jenen Grünen, die für diesen verbrecherischen Krieg Mitverantwortung tragen, in einer gemeinsamen europäi­schen Föderation weiterzuarbeiten,
  • sich mit diesen Kräften weiterhin in einer grünen Fraktion im Europäischen Parlament zusammenzuschließen.

Wer die Politik der österreichischen Grünen über die letz­ten Jahre verfolgt hat, kann sich kaum vorstellen, daß die Grüne Parteiführung zu so weitgehenden Schritten bereit wäre, denn den Krieg verbal zu verurteilen ist eine Sache, die enge Zusammenarbeit mit den Deutschen oder Französischen Grünen zu beenden eine andere.

Um trotzdem Druck innerhalb der Grünen auszuüben gibt es zugleich einen Offenen Brief, den mehr als 30 VertreterInnen der Grünen aus Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol, der Steiermark und der Grünen Bildungswerkstatt erstunterzeichneten, in dem sich die UnterzeichnerInnen von der „Parteileitung“ „erwarten“:

  • Massive öffentliche Proteste gegen die NATO-Kriegspolitik und deren Betreiber
  • Unterstützung und Entwicklung von Bündnissen und Bewegungen gegen den Krieg
  • Massive öffentliche Kritik an den deutschen Grünen bzw. Außenminister Joschka Fischer
  • Wenn „Bündnis 90/Die Grünen“ zu keiner Kurskorrektur bereit ist, wird der Bundesvorstand den Antrag auf Ausschluß von „Bündnis 90/Die Grünen“ aus der Föderation der europäischen Grünen stellen.

Bei der internationalen Kräftekonstellation der Grünen würde ein solcher Ausschlußantrag aber wohl eher zum Ausschluß der österreichischen als der Deutschen Grünen führen. So werden es Van der Bellen, Chorherr, Pilz und Konsorten schon nicht kommen lassen.

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