Liebe Leserin, lieber Leser!
Das aktuelle Heft eröffnet mit einer Replik von Manfred Gmeiner auf Franz Schandls Thesen zu Gewalt und Gewaltlosigkeit bzw. -freiheit in der letzten Nummer. Es folgt eine Reihe von Artikeln, die auf den ersten Blick nicht unbedingt direkt zusammenhängen, aber doch nur die zwei Seiten einer Medaille beleuchten. Die Vorderseite zeigt die zunehmend grenzenlose Freiheit des Kapitals, für welche neuerdings das Kürzel MAI steht (Seite 28) — der Maibaum am Umschlag bezieht sich auf mehr als den Erscheinungsmonat dieser Ausgabe. Die Kehrseite ist die zunehmend grenzenlose Unfreiheit der Menschen, die innerhalb der Festung Europa durch das Stichwort Schengen auf ihren Begriff gebracht wird. Den Beitrag von Hannes Hofbauer (Seite 23) haben wir mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag dem jüngst erschienen Buch „Menschenjagd“ (Promedia, öS 218,—) entnommen, dessen Autorinnen das „Schengenland in Österreich“ einer kritischen Analyse unterziehen. Die Herausgeberinnen Anny Knapp und Herbert Langthaler von der „asylkoordination Österreich“ schreiben im Vorwort:
„Menschenjagd“ dokumentiert konkrete Maßnahmen Österreichs und anderer EU-Staaten zur Verhinderung von Migration und Flucht im Rahmen des Schengener Abkommens. Wie sich diese Politik in konkreten Gesetzesbestimmungen niederschlägt und für Schutzsuchende auswirkt, wird in den Beiträgen ebenso analysiert wie die Situation von Schubhäftlingen vor und nach der Abschiebung.
An dem Buch haben auch Redaktionsmitglieder der ZOOM mitgeschrieben, ein Ergebnis der neuen Nachbarschaft mit der asylkoordination, die seit letztem Herbst Wand an Wand mit der ZOOM-Redaktion tätig ist.
Ebenfalls unter Mitwirkung der ZOOM ist bei Elefanten Press das Buch „Delikt: Antifaschismus — Briefbombenterror in Österreich und Kriminalisierungskampagnen von rechts“ erschienen (herausgegeben von Wolfgang Purtscheller, Markus Kemmerling und Vaclav Kopecky, mit Gastbeiträgen von Wolfgang Gombocz, Elfriede Jelinek, Doron Rabinovici und anderen, ebenfalls um öS 218,—). Die Autorinnen zeigen auf, wie der rechtsextreme Terror in Österreich als Katalysator für einen markanten Rechtsruck der Gesellschaft diente.
„Delikt: Antifaschismus“ hat bereits erste Reaktionen ausgelöst. Ein im Buch nur mit Vornamen genannter Amtsdirektor im Heeresnachrichtenamt fühlt sich in seinem beruflichen Fortkommen behindert und FP-Klubobmann Ewald Stadler, dem in den Buchbeiträgen eine prominente Rolle zukommt, dokumentiert in einer Serie von vier parlamentarischen Anfragen zum Buch neuerlich seine Position als Denunziant der Republik.
Die Anfragen richten sich gegen Minister Einem, Sicherheistdirektor Sika, Rechtsanwalt Prader einerseits und Wolfgang Purtscheller andererseits sowie gegen die beiden Adressaten von BBA-Bomben Terezija Stoisits — deren Namen Stadler, Zufall oder nicht, wiederholt falsch schreibt — und Wolfgang Gombocz. Zwischen den Zeilen entwickelt Stadler die vom rechtsextremen Ministerialrat im Bundeskanzleramt Günter Rehak entwickelte Theorie, Stoisits könnte sich die an sie gerichtete Briefbombe selbst zugeschickt haben, weiter und dehnt diese auf Wolfgang Gombocz aus. Insbesondere den Obmann des slowenischen Kulturvereins „Artikel VII“ macht Stadler vom Opfer zum Täter, indem er etwa vom Innenminister dessen Erkenntnisse über die Kontakte zwischen Gombocz und Fuchs erfragt und wissen will, warum dieser angesichts dieser „Tatsachen“ weiter an der Einzeltätertheorie festhält.
Da wir gerade bei Büchern sind, möchten wir unsere Leserinnen noch einmal auf das nach wie vor sehr aktuelle kritische Handbuch der ZOOM-Mitarbeiter Klaus Heidegger und Peter Steyrer zum „NATO-Streit in Österreich“ (Thaur-Verlag, öS 248,—) hinweisen. Alle drei Bücher können, sofern im Buchhandel nicht erhältlich, auch über die ZOOM-Redaktion bestellt werden.
Zum Abschluß noch ein Hinweis in eigener Sache: Mittlerweile hat sich das „Bureau N° 2 — Agentur für Kommunikation und Information“ als Zweigverein der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit und Flüchtlingsbetreuung konstituiert. Es wird demnächst die Medieninhaberschaft der ZOOM übernehmen. Herausgeberin bleibt weiterhin die Arge WDV.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
im Mai (nicht im MAI) 1998
