ZOOM 1/1996
Januar
1996

Liebe Leserin, lieber Leser!

Wir freuen uns, die erste Ausgabe von ZOOM — Zeitschrift für Poli­tik und Kultur präsentieren zu können. ZOOM ist aus einer Fusion des EKG — EuropaKardioGramm und der ZAM — Zeitschrift für Antimilitarismus entstanden, die beide mit Ende letzten Jahres ihr Erscheinen einstellen mußten. EKG und ZAM scheiterten an inne­ren Schwierigkeiten und, vor allem, an mit allen demagogischen, po­litischen und ökonomischen Mitteln betriebenen Angriffen ihrer po­litischen GegnerInnen.

Über einen Erfolg können wir an dieser Stelle berichten. Die ZOOM-Vorgängerin ZAM (5/95) konnte letztes Jahr einen Amtsmißbrauch der Exekutive exklusiv aufdecken. Wir wiesen nach, daß im Rahmen einer Hausdurchsuchung im besetzten Ernst-Kirchweger-Haus be­schlagnahmte Unterlagen direkt der FPÖ zugespielt worden waren. Die darauf folgenden behördeninternen Untersuchungen führten nur zu einer anonymen Anzeige des Amtsmißbrauches durch die Si­cherheitsdirektion bei der Staatsanwaltschaft. Doch behördenintern hat dieser Fall, zusammen mit weiteren Fällen von Amtsmißbrauch, mitderweile dazu geführt, daß zwei Dutzend Beamte aus allen Be­reichen des Sicherheitsapparates, die Zugang zu sensiblen Informa­tionen hatten, versetzt worden sind. Wir sind sicher, daß auch „un­ser“ Mann darunter ist.

Trotz allen Geredes vom „Verrat an Österreich“ blieb bislang ein weiterer Stapo-Skandal weitgehend unbeachtet. Gemeint sind die Erhebungen der Wiener Schlapphüte gegen den „Revolutionsbräu­hof“ wegen — erstmalig in der Zweiten Republik — Bildung einer „staatsfeindlichen Verbindung“.

Der eigentliche Skandal in dieser Causa liegt darin, daß die Vorwür­fe sich auf zwei Aufkleber stützen, die letztes Jahr im Zuge der von der „Krone“ nach wie vor geschürten Ebergassing-Hysterie in dieser veröffentlicht wurden. Denn diese Aufkleber sind gefälscht. Wer aber hat sie produziert, wer in der „Krone“ lanciert? Und wer hat In­teresse daran? Der Vorgang und das Agieren der „Krone“ zeigt verblüffende Ähnlichkeit mit der von Geheimdiensten immer wieder verfolgten Strategie der Destabilisierung. (Diese wird übrigens in ei­ner der nächsten beiden Ausgaben ZOOM’s thematisert, der ersten von mehreren geplanten Sondernummern, die sich — im praktischen Broschürenformat — in aller Ausführlichkeit jeweils einem spezifi­schen Thema widmen werden.)

Bei bislang 20 Hausdurchsuchungen wurden unter anderem „anar­chistische Druckwerke“ beschlagnahmt, durch welche „die in der Bundesverfassung festgelegte Staatsform Österreich verächtlich ge­macht wird“. Besonders pikant: Unter den konfiszierten Anarchistika, deren bloßer Besitz die Herren Staatsschützer offensichtlich be­reits als strafbar einstufen, findet sich auch ein Buch, an welchem der neue Stapochef Peter Heindl höchstpersönlich mitgeschrieben hat: das Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus.

Die Beschaffenheit des Staates, ließe sich in diesem Zusammenhang aus Ilse Aichingers Rede anläßlich der Entgegennahme des „Großen Österreichischen Staatspreises“ Ende März zitieren, gleicht einem „festen Boden, aber einem Boden ohne Gewähr“. „Ich fürchte“, so Aichinger, „das Wort ‚Staat‘, und nicht nur das Wort.“ Und obwohl die Schriftstellerin freimütig eingestand, ebenfalls anarchistische Literaur in ihrer Bibliothek stehen zu haben — Henry Thoreaus Essay „Über die Pflicht des Ungehorsams gegen den Staat“ — schritten die staatlichen Gewährsleute diesmal nicht ein. Noch nicht.

Die ZOOM Redaktion
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