FORVM, No. 229
Februar
1973

Neue Idee: Musterungsverweigerung

Ich wurde am 10. November 1972 um vier Uhr früh mit Handschellen von der Polizei aus meiner Wohnung abgeführt.

Vorerst kam ich in die Wachstube Wien 20., Bäuerlegasse 31-35. Nach Anforderung eines Streifenwagens wurde ich in Begleitung zweier Beamter in das Polizeikommissariat Wien 20., Pappenheimgasse 33, überstellt.

Hier kam ich nach kurzer Befragung (ob ich eine Waffe bei mir habe ...) und nach oberflächlicher Diskussion über den Grund meiner Verhaftung (Zwangsvorführung vor die Stellungskommission des Bundesheeres) in den Arrest.

Für vier Stunden war ich ein unfreier Mensch. Gegen acht Uhr wurde ich von einem Jeep der Militärpolizei abgeholt. Im offenen Wagen überführte man mich zur Stellungskommission in Wien 18., Schulgasse. Dort erklärte ich nach ausführlicher Diskussion mit anwesenden Bundesheerangehörigen, daß ich mich weigere, gemustert zu werden. Denn dies wäre der erste Schritt zur Inkonsequenz. Weiters betonte ich, daß ich mich nicht gewaltsam wehren würde, wenn man mich zwangsweise mustert.

Das aber konnte man nicht. Man sagte, ich sei der erste Fall, der sich weigert, gemustert zu werden. Ich wollte wieder gehen, da man mich nicht durch Zwang dort festhalten durfte. Ich konnte nicht gezwungen werden, zur Stellung ja zu sagen. Man drohte mit Vorstrafen, Einsperren, Gewalt. („Vor dreißig Jahren wären Sie schon tot. Sie wären auf der Stelle erschossen worden.“) Man versuchte es jetzt auf eine andere Weise, und so gelangte ich, ohne es zu wollen, vor den Amtsarzt. (Ich war nicht entkleidet und konnte gar nicht untersucht werden.) Auf seine erste Frage, ob ich körperliche Beschwerden habe, erklärte ich: Das werde ich Ihnen nicht sagen. Sie sind nicht mein Hausarzt, ich habe Sie mir nicht als Arzt ausgesucht. Ich bin mit Zwang hergeführt worden und werde nur dann etwas tun, wenn man mich dazu zwingt. Und Sie können mich nicht zwingen, Angaben zu machen.

Worauf der Arzt aufstand und brüllte: Dann sind Sie tauglich. Er stieß die Tür zum Kommissionsraum auf, und ich wurde hineingeführt. Man erklärte, ich sei tauglich. Das wurde einstimmig von der Kommission akzeptiert. Man sagte, ich könne mit meiner baldigsten Einberufung rechnen. (Feber 1973?) Sodann wurde mir ein Tauglichkeitsnachweis ausgehändigt. Diesen zerriß ich auf der Stelle und gab ihn zurück. Weiters bezeichnete ich alte als Lügner. Denn ohne gemustert zu werden, kann ich nicht als tauglich befunden werden.

Dann ging ich. Hinter mir hörte ich Gebrüll.

Ich bin nicht gemustert worden und kann somit nicht einberufen werden.

Helmut Leopold Seethaler
1200 Wien, Wasnergasse 43/8
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