MOZ, Nummer 55
September
1990
Öko-Invest:

Rendite machen, Umwelt schützen?

Grünes Investieren soll jetzt auch in Österreich hof- bzw. publikumsfühig gemacht werden. Raiffeisen und Zentralsparkasse haben schon dementsprechende Fonds eingerichtet. Ein „Grüner Investklub“ hat Anfang August das Licht der Börsenwelt erblickt.

Was haben die Konzerne Shell, Henkel und die österreichische Verbundgesellschaft gemeinsam? Keine Ahnung? Nun, auch wenn es für den Normalsterblichen absurd klingt, die drei Firmen stehen ganz oben auf der Liste „Grünes Investieren in Europa“, die vom englischen Investmentbüro „UBS Phillips&Drew“ herausgegeben wurde.

Grün investieren kommt in Mode. Freilich nicht für Otto Normalverbraucher, für den kommt investieren nicht einmal in Frage. Aber für diejenigen, die zuviel Geld haben, um es aufs Sparbuch zu legen und ein wenig an die Umwelt denken, die wollen sich die Firmen, deren Aktien sie zeichnen, in Zukunft nach ökologischen Kriterien aussuchen. Der Schwierigkeiten lauern viele. Denn erstens: Wer produziert schon umweltgerecht? Und überhaupt: Der vegetarische Börsenhai wird noch gesucht!

Ethik an die Börse

„Ethisches und ökologisches Investment“ — unter diesem Titel fließen schon seit Anfang der 70er Jahre Dollar an die US-amerikanischen Börsenplätze. 500 Mrd. US-$ sollen es bereits sein, die in sogenannten „Ethik-Fonds“ Rendite abwerfen. Die Kriterien, nach denen die Umweltbroker (= Profianleger) für ihre grünen Kunden Aktien erwerben, klingen gut: Umweltfreundliche Produktionsweisen, humane Arbeitsbedingungen, keine Geschäfte mit Atomenergie, Rüstung und Alkohol (letzteres gilt steht zu hoffen — nur fürs puritanische Amerika).

Die Renditen werden in — meist auf Recyclingpapier gedruckten — Werbebroschüren mit 10% bis 20% angegeben. In der Fachwelt der Öko-Banker spricht man davon als dem „Lohn der Tugend“ Wo der Haken an der Sache ist, werden sich geübte MONATSZEITUNG-Leser/innen schon gefragt haben. Nun, abgesehen vom bedauernswerten Einzelschicksal, daß jemand für die nächsten Jahre nicht ein paar zehntausend Schilling locker machen kann, um sie — wie es so schön heißt — an der Börse ‚arbeiten‘ zu lassen, gibt es natürlich auch inhaltlich gröbere Unklarheiten. Doch vorerst zur Situation in Österreich.

Seit November 1989 bieten Raiffeisenbank und Zentralsparkasse ihren Kunden die Möglichkeit, grün zu investieren. „In Österreich ist erst vor kurzem entdeckt worden, daß ökologisches Investieren eine Marktlücke darstellt“, erklärt Z-Anlageberaterin Johanna Straßer das im internationalen Vergleich späte Einsteigen der Banken in diese neue Branche.

Ökologisches Investieren bei Raika und Z findet in der Form sogenannter „Umweltfonds“ statt. Dabei handelt es sich um ein vom jeweiligen Bankmanager zusammengekauftes Aktienbündel, das dann dem interessierten Anleger angeboten wird. Für jeden gezeichneten Anteil am Umweltfonds erhält der Kunde ein Investmentzertifikat. Einfluß auf die Auswahl der Aktientitel hat er keinen.

Die erste war die Raika. „Wir haben das Bedürfnis nach ökologischem Investieren bei den Anlegern erkannt und sind mit der Gründung des Umweltfonds der Uridee von Raiffeisen gefolgt.“ Geschäftsführer Martin Sardelic gibt sich historisch bewußt. Ganz nach dem Motiv: Wir waren schon immer grün.

Sicherlich nicht hinter den Ohren. Denn der Raika-Slogan „Umweltbewußt leben, umweltbewußt investieren“ ist kühle Gewinnkalkulation.

Die Aktien im Umweltfonds kommen aus Wachstumsbranchen: Müllbeseitigungsunternehmen, Katalysatorenproduzenten, Solarkraftwerkhersteller, Kläranlagenbauer ... „Weltweit gesehen gibt es vielleicht zwischen 100 und 200 Aktien, in die durch den Umweltfonds sinnvoll investiert werden kann“, meint Raika-Manager Sardelic. Und sinnvoll investieren heißt, Rendite machen, im vorliegenden Fall ökologisch Rendite machen.

Raiffeisen setzt, wie alle österreichischen Grüninvestoren, auf US-Firmen. Vor allem deshalb, weil es dort schon seit über 15 Jahren einen entsprechenden Markt gibt. Die Firmen, deren Aktien das Grün-Zertifikat zugesprochen erhalten, heißen „Waist-Management“, „Chemical Waist Management“, „Plastic-Recycler“ oder — auch die Japaner sind wieder mit von der Partie — „Mitsubishi-Kakoki“, die Abfallbeseitigungstochter eines der weltgrößten Konzerne.

Die Ökologie beginnt in den USA

Nur ein einziges österreichisches Unternehmen fand Aufnahme in den Raiffeisen-Umweltfonds: Die EVN, der niederösterreichische Energiemonopolist. Als Kraftwerksbauer hat sich die EVN unter dem Firmentitel NEWAG einst einen Namen gemacht, als eine der ersten öffentlichen Monopole ging sie an die Börse. Ihr Vorteil: Sie agiert ziemlich konkurrenzlos. Ihr Glück: Sie bezieht 90% der Energie aus Wasserkraft. Und das, so meint nicht nur die Raika, sondern auch die Zentralsparkasse, ist ökologisch sinnvoll. Weil es anscheinend nicht darauf ankommt, wie naturzerstörerisch der Kraftwerksbau vonstatten geht, sondern nur darauf, daß es aus keinem Schlot herausraucht.

Der Raika-Umweltfonds ist nur einer von 36 verschiedenen Fonds, die die ehemalige Bauerngenossenschaft anbietet. Mit 130 Mio. öS ist er zwar österreichweit weitaus der größte, mit dem vergleichbaren Raika-Aktienfonds, der zur Zeit ein Volumen von 1.360 Mio. öS hat — ohne Umwelt und so —, kann er freilich nicht mithalten.

Weit mickriger als der Raika-Fonds präsentiert sich die zweite ökologische Anlagemöglichkeit in Österreich, der Umweltfonds der Zentralsparkasse. Seit Ende November 1989 haben sich dort relativ magere 15 Mio. öS angesammelt. Die Aktientitel sind denen des Raika-Fonds ähnlich bis deckungsgleich: Abfallbeseitigungsfirmen, Giftmüllentsorger, Recycler ... Mit über einem Viertel bundesdeutscher Aktien versucht die Z, sich ein europäisches, ein DM-Standbein zu schaffen. Zwei österreichische Firmen sind mit im ZPaket: EVN und „Waagner-Biro“, weil deren Energietechnik und Kesselanlagenbau von Z-Investmentmanagern für umweltfreundlich gehalten werden.

Wieder im Aufwind: die Grünen

Anfang August 1990 haben sich eine Handvoll Grüne unter dem Vereinsnamen „Öko-Invest“ zusammengetan und einen Investmentklub gegründet. Ein Investmentklub ist ein Sparverein, der sein Geld nicht aufs Sparbuch legt oder versäuft (wer weiß?), sondern investiert. Christoph Chorherr, grüner Nationalratskandidat, war in den USA und hat von dort die Idee für den Klub mitgebracht. Der Investmentvorgang wurde auf einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz erklärt: Die zur Zeit 17 Klub-Mitglieder überweisen ihr Geld bis dato: 800.000 öS — auf ein Sammelkonto der PSK. Von dort wird das Geld je nach Anlageentscheidung — auf ein Konto der Merill-Lynch-Austria überwiesen, von wo es wiederum auf das entsprechende Anlagedepot geht.

Auch Chorherr und seine Truppe setzen auf US-amerikanische Ökofirmen. Ethikfonds wie „New Alternatives“ oder „Ihe Solar Funds“ haben hohe Sympathiewerte. „Durch unser Anlage-Sparverhalten können wir Wirtschaftspolitik im Kleinen machen“, erläutert Christof Chorherr seine Motive. Nun wird zwar gerade die Wirtschaftspolitik im Großen gemacht, aber warum soll für die Kleinen eigentlich nichts abfallen?

„Klein gekocht“ — wie es ein nicht genannt werden wollender Manager von Merill-Lynch ausdrückt — ist er zwar, der grüne Öko-Investklub, aber mit Merill-Lynch hat er sich einen Börsenriesen als kontoführende Bank ausgesucht. Merill-Lynch ist das zweitgrößte amerikanische Brokerhaus, an der Elitebörse des New York-Stock-Exchange genauso zu Hause wie in Europa.

Seit 18 Jahren ist die amerikanische Bank für größere Privatinvestoren in Österreich tätig, wo sie erst kürzlich den „Austro-Hungary-Fund“ angeboten hat. Österreichische Aktien sind darin genauso enthalten wie die gewinnversprechendsten ungarischen Privatisierungen. Das Reisebüro „Ibusz“ z.B., dessen erste Tranche (40%) für knapp 400 Mio. öS verkauft worden ist. Der grüne Investmentklub wird, das ist sicher, auch mittelfristig nicht zu den wichtigsten Partnern von Merill-Lynch gehören.

Was nicht heißt, daß dem grünen Investieren keine Zukunft beschert ist. Denn durch verschärfte Umweltgesetze zumindest in Westeuropa und Nordamerika — ist es leicht vorhersehbar, daß Produzenten von Umwelttechnologien zu den Wachstumsbranchen der Jahrtausendwende gehören werden. Und wenn es dann noch Menschen gibt, die ihr Geld ‚mit gutem Gewissen‘ anlegen wollen (wie der Grüne Christoph Chorherr), dann hat die neue Mittelschicht zum Lebensstil der alten zurückgefunden — mit ökologischen Vorzeichen.

Stichwort: Risiko

Wie jede ‚normale‘ Aktie hat auch die „grüne“ Aktie ihr Risiko. Daß es dieselben Risikofaktoren sind, zeigt nur, wie normal die grüne Aktie ist. Seit Saddam Hussein Kuwait überfallen hat, sind — ganz gegenteilig zur ähnlichen Aktion von George Bush in Panama die Aktienkurse weltweit auf Talfahrt. Nun mag es grüne Romantiker verwundern, warum gerade beim Kampf ums umweltverschmutzende Erdöl auch die grünen Aktientitel fallen, aber ein Blick auf die Börsenseite der Zeitung zeigt ernüchternd: Sie tun es. Aus ‚börsenpsychologischen‘ Gründen ebenso wie auf Grund der Tatsache, daß die größeren Umweltfirmen oft mit anderen Multis eng kooperieren. Die österreichischen Umweltfonds halten Mitte August 1990 nicht einmal mehr ihren Ausgabewert. Der um 1.000 58 ausgegebene Z-Fonds-Anteil hielt am 17. August bei 987, das um 5.000 öS eingeführte Raiffeisen-Gegenstück lag ganze 75 öS oder 1,5%, über dem Novemberkurs. Und die Rendite? „Wird sich durch den Irak-Kuwait-Krieg in Grenzen halten“, gibt sich Johanna Straßer von der Zentralsparkasse nicht gerade optimistisch.

Weit weg investieren schafft gutes Gewissen

Das Ökologische am grünen Investieren ist mindestens genauso fraglich wie die Rendite. Ein einfaches Beispiel: Das englische Investmentbüro „UBS Phillips&Drew“ meint, daß die „greenest utility in Europe“, also die grünste aller europäischen Anlagemöglichkeiten, die österreichische Verbundgesellschaft sei. Nun wissen zwar wir in Österreich, was die Verbund in Hainburg unter Grünpolitik verstanden hat, als sie mit Hilfe der Exekutive versuchte, die Au zu schleifen. Aber „UBS Phillips&Drew“ wissen es nicht — oder wollen es nicht wissen.

Umgekehrt ist im Aktienpaket vom grünen Ökoinvest-Klub beispielsweise die „Hawaii Electric“ enthalten. Das klingt ökologisch. Bis man weiß, daß in Hawaii gerade der Kampf um die Ausbeutung der Vulkanenergie tobt. Die einheimische Südseebevölkerung, die allerdings nur mehr 20% der Gesamtbevölkerung ausmacht, betrachtet die tätigen Vulkane als heilige Berge, die örtliche Energieverwertungsgesellschaft hingegen als nutzbare Energiequellen.
Die österreichischen Grünen müssen das nicht wissen, der grüne Investor wird auch nicht so genau nachfragen.

Also kommt man — wie „UBS Phillips&Drew“ in ihrer Werbebroschüre zu dem Schluß, daß es „kein Geschäftemachen gibt, das ausschließlich Gutes für die Umwelt tut.“ Aber Geschäfte müssen gemacht werden. Die Börse lebt davon. Und warum sollen ausgerechnet die Grünen nicht mitnaschen dürfen?

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