Grundrisse, Nummer 32
Dezember
2009
Hg.: Eva Egermann, Anna Pritz:

school works

Beiträge zu vermittelnder, künstlerischer und forschender Praxis

Wien Löcker Verlag 2009, 180 Seiten, 12 Euro

Schularbeiten oder Schule arbeitet? Keines von beiden. Derzeit wird an der Akademie der bildenden Künste in Wien gestreikt. Durch das Buch erhält man aber Auskunft darüber wie es um die Ausbildung am IKL, dem Institut für künstlerisches Lehramt bestellt ist - wenn nicht gestreikt wird (Können KünstlerInnen überhaupt streiken?). Die Publikation versammelt Beiträge von LehrerInnen, BildungswissenschaftlerInnen, KunstvermittlerInnen und KünstlerInnen. Diese Beiträge sind – so der Vorstand des Instituts, Martin Beck – „als Geflecht von Sprechformaten arrangiert, das Bildungs- und Vermittlungsdebatten mit künstlerischen Beiträgen verschränkt. Was dabei entsteht, ist der Versuch einer Neuorganisation des diskursiven Verhältnisses von Schule und Kunstwelt: ein produktiver Austausch zwischen zwei institutionellen Feldern, deren Beziehung (im Rahmen politischer Rhetorik) zwar immer als wichtig erachtet wird, die aber im Bildungsalltag oft nur peripher miteinander in Berührung kommen.“ Ein Geflecht von Sprechformaten – das klingt sehr neumodisch und in der Tat, die neoliberal forcierte Projektpolitik hat „natürlich“ auch an diesem Institut längst Einzug gehalten. Die Auseinandersetzung mit dem Fach geschieht sehr intensiv, das zeigt das Heftchen, auch wenn es schleißig produziert ist. Dahinter verbirgt sich wohl ganz einfach Budgetmangel. Das interessanteste „Sprechformat“ ist für mich eine Zeichnung von Ingular Sing auf den Seiten 120 und 121 mit dem Titel „schul arbeit“ aus dem Jahr 2009. Sie zeigt gleichberechtigt neben- und ineinander gestellte, text- und bildsprachlich verfasste Gedanken zum derzeitigen Zustand des Schulsystems im künstlerischen Fach, das in Österreich auch bildnerische Erziehung genannt wird. „School works – school does not work. Ein verwirrter, erwartungsloser Blick auf die Verhältnisse zwischen Schule, Arbeit und der Krise des Kapitalismus“, steht da etwa. Rechterhand sehen wir ein Bild im Bild, eine eingerahmte theriomorphe Figur, einen männlichen Lehrkörper, genau genommen einen lehrenden Oberkörper mit weißem Hemd und schwarzem Sakko und Binder vor einem weißen Sockelpult stehend, einen grünen Kopf mit gelbem Schnabel als Haupt tragend. Vor rotem Hintergrund schaut uns dieses einzelne Aufbruchwesen zwischen Vergangenheit und Zukunft etwas hilflos, aber sehr direkt an. Ingular Sing unterrichtet in Wien Englisch an Vor- und Volksschulen; er ist „Teil einer wöchentlichen Diskussionsgruppe, welche die Beziehung zwischen Bildung und Kapitalismus in Krisensituationen untersucht. Seiner Überzeugung nach sind Lehrende Lernende und Lernende tatsächlich die Lehrenden“. Dieser letzte Satz könnte auch aus dem Buch „Lehren und Lernen als Aufführungskünste“ stammen, das im Jahr 1970 von Robert Filiou unter Mitwirkung von John Cage, George Brecht, Joseph Beuys und anderen verfasst wurde. John Cage über lebenslanges Lernen und die Uni, den Gesamtkomplex Erziehung, vor 40 Jahren:„Dies alleine, der reine Gedanke, dass man sein ganzes Leben damit verbringen würde, ausgebildet zu werden, ist heutzutage abstoßend, nicht weil man daran denken kann, wie das sein würde, sondern weil man sich erinnert, wie es war. Man würde sich nicht wünschen, in den Universitäten zu leben, so wie man sie heute kennt. Sondern wir müssten die Universitäten so verändern, dass sie wie die Orte sind, die wir gern haben, so wie wir unser ungeregeltes, anarchistisches Künstlerleben gern haben.“

Von Ingular Sing entworfen ist offensichtlich auch die Postkarte des derzeitigen Akademiestreiks (direkte.aktion@gmail.com) mit einem Statement Für eine freie Bildung und dem Titel: How to survive the university. Take Space Make Time.

Ja – es gibt noch Leute, die Briefe schreiben.

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