Souveränitäten
Sammelbände. Nicht selten beschleicht einen das Gefühl, dass Artikel nicht nach einem Konzept in Auftrag gegeben, sondern einfach zusammengetragen worden sind. Am interessantesten sind jedenfalls die beiden Artikel von Bini Adamczak und Ulrich Bröckling. Letzterer meint, der Protestdiskurs sei allemal enteignet: „Diejenigen, die Protest artikulieren, sind niemals Souveräne ihrer Aktionen, weder im Hinblick auf die Adressaten noch auf die Botschaften“ Das stimmt schon, aber was sagt das? Solange wir uns in dieser Matrix bewegen müssen, bewegen wir uns auch im souveränen Schein. Sich darüber lustig zu machen, dass die widerständigen Elemente keine Souveräne seien, ist billig.
Adamczak diskutiert die scharfe Auseinandersetzung zwischen Kautsky und Lenin/Trotzki über „Terrorismus und Kommunismus“. Kommunismus und Antikommunismus haben inkommensurabel zu sein. Da hat Adamczak recht. Indes kommunistische und antikommunistische Politik sind wohl kommensurabel, weil eben Politik keine beliebig funktionelle, sondern eine vorformatierte Größe ist. Adamczaks Problem ist, dass sie Politik selbst nicht zum Gegenstand macht, sondern den Begriff verwendet, wie es im Alltag üblich ist. Und doch: Adamczaks Beitrag scheint mir auf hohem Niveau gescheitert zu sein. Ihre Intentionen gilt es aufzunehmen, die Fragen sind richtig gestellt. Bevor der Kommunismus wieder Zukunft haben kann, muss er Trauer tragen, Trauer auch für das, was er sich und den Seinen angetan hat.
jour fixe initiative berlin (Hg.): Souveränitäten. Von Staatsmenschen und Staatsmaschinen, Unrast Verlag, Münster 2010, 202 Seiten, ca. 16 Euro.
