Amelie Lanier, Sonstiges
 
2013
Der Kern des Atomkonflikts auf der koreanischen Halbinsel:

Über die Unverträglichkeit der nordkoreanischen Staatsraison mit amerikanischen Weltmachtsansprüchen

Im Frühjahr d.J. überschlägt sich die westliche Öffentlichkeit mit mehr oder weniger aufgeregten Wortmeldungen zur politischen und militärischen Eskalation auf der koreanischen Halbinsel.

Für die einen ist Kim Jong Un ein „unberechenbarer Nachwuchsdiktator“, der „störrisch wie ein beleidigtes Kind“ auf seiner Atomwaffe wie auf seinem persönlichen Lieblingsspielzeug beharrt, das man ihm nur um den Preis eines „atomaren Infernos“ wegnehmen darf. Für die anderen ist er ein „geschickt kalkulierender Machthaber“, der mit seinen Kriegsdrohungen nur den Umfang der ausländischen Lebensmittellieferungen für sein hungerndes Volk in die Höhe pokern will. Wieder andere Kommentatoren wissen sich genau umgekehrt darüber zu empören, dass er lieber sein Volk hungern lässt, als den Aufwand für sein Atomwaffenprogramm zu reduzieren oder seine riesige Armee zu verkleinern. Neben der Auffassung, dass im Falle Nordkoreas ein „gefährliches Drohpotenzial“ in der Hand eines „unverantwortlichen Kriegstreibers“ liegt, steht die Meinung, dass die nordkoreanischen Drohgebärden bloß übertünchen sollen, dass sich Kims Armee in einem „katastrophalen Zustand“ befinde und alles andere als wirklich gut gerüstet für einen großen Krieg sei. Für die einen ist „Kim Jong Bumm“ eine Mischung aus Selbstmörder und Amokläufer, für die anderen jemand, der glaubt, sich alles erlauben zu können, weil die USA sich einen Krieg gegen ihn dann doch nicht leisten wollen und / oder können. Und so weiter.

Eine ziemlich verwirrende Meinungsvielfalt. Einerseits.

Andererseits lebt diese Vielfalt von Lageeinschätzungen und Prognosen für die nähere und weitere Zukunft von einer totalen Einigkeit der Beurteilung von Nordkorea, seinen Nuklearmachtsambitionen und seines Konflikts mit Amerika, die so manche Frage aufwirft:

  • Eine Öffentlichkeit, die sich darüber streitet, ob Kim verrückt sei oder ob er wirklich glaubt „damit mal wieder durchzukommen“, ist sich einig: Das Überleben von Kims Herrschaft im besonderen, Nordkoreas als eigenständiger Staat im allgemeinen hängt daran, ob die USA Nordkorea überleben lassen oder nicht. Deren ‚Drohpotenzial‘ ist fest unterstellt und zugleich nicht der Rede wert. Warum?
  • Eine Öffentlichkeit, die der Frage nachgeht, ob die nordkoreanische Führung mit ihren „militärischen Muskelspielchen“ die ökonomischen Fähigkeiten ihres Landes rücksichtslos überfordert oder dessen Mängel umgekehrt gerade kompensieren will, geht fest davon aus, dass bei diesem ökonomisch schwachen Staat jede Atommachtsambition unangemessen ist. Wieso? Welches quantitative Verhältnis zwischen ökonomischer Macht und militärischer Ausstattung wäre denn angemessen? Ein solches, wie man es bei Nordkoreas kapitalistisch entwickelten Gegnern findet? Soll damit zur Abwechslung einmal zugegeben sein, dass für die zivilisierten Nationen des 21. Jahrhunderts der höchste und letzte Zweck wirtschaftlicher Potenz in der Verwendung für ihre nationale Vernichtungspotenziale besteht?
  • Eine Öffentlichkeit, die sich fragt, ob die nordkoreanische Führung ihre antiamerikanische Feindpropaganda und das grell ausgemalte Bedrohungsszenario durch die USA selber glaubt oder bloß berechnend ihr Volk auf eine Konfrontation einschwört, für die besteht kein Zweifel: Dieses Feindbild ist völlig grundlos. Ihm entspricht nämlich keine Feindschaft und reale Bedrohung, die von den USA und ihren Verbündeten gegen Nordkorea ausgehen könnte. Wie das? Warum wird das amerikanische Vernichtungspotenzial einerseits völlig offen als einzige Antwort auf Nordkoreas Politik gefeiert und gefordert und soll es andererseits völlig unglaubwürdig sein, wenn Nordkorea sich von dieser ‚Drohkulisse‘ dann auch bedroht sieht? Kann es sein, dass die westliche Öffentlichkeit im Falle Nordkoreas von einer Existenzbedrohung nichts wissen will, weil sie diesem Staat ideell schon längst die Existenzberechtigung entzogen hat?
  • Eine Öffentlichkeit, die interessiert bis besorgt die Frage wälzt, ob die USA die nordkoreanischen „Provokationen“ gerade noch einmal hinnehmen oder sich dadurch zu einem Krieg gezwungen sehen könnten, hat einen 100-prozentigen Konsens: Die nordkoreanische Entschlossenheit, sich eine atomare Bewaffnung zuzulegen und nie wieder abnehmen zu lassen, ist für Amerika eine nicht hinnehmbare Unverschämtheit. Inwiefern? Was macht zwei nordkoreanische Atomsprengköpfe, die vielleicht schon auf entsprechende Raketen gesetzt werden können, für die stärkste atomare Militärmacht der Welt so absolut unmöglich? Warum verknüpft Nordkorea ausdrücklich seine staatliche Existenz mit seinem Status als Atommacht? Und welchen amerikanischen Anspruch verletzt es damit eigentlich so gravierend, dass die USA ihrerseits den Bestand oder Untergang Nordkoreas damit verknüpfen, ob dieses Land auf der Anerkennung als Atommacht beharrt oder darauf verzichtet?
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