Von Rosinen und Minderleistern
Die Forderung nach einer kollektivvertraglichen Absicherung eines Mindestlohns sowie die Frage der Integration ausländischer Arbeitskräfte rückten den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt der sozialpolitischen Auseinandersetzung.

Es diskutieren:
Gerd Gotz, Assistent an der Philosophischen Fakultät der Uni Wien;
Peter Kreisky, Sozialwissenschaftler in der Arbeiterkammer Wien, Republikanischer Club — Neues Österreich;
Gabriele Traxler, Osteuropareferentin im ÖGB, Abgeordnete zum Nationalrat;
Jens Tschebull, Journalist.
Das Gespräch leitet Christof Parnreiter.
Tschebull: Das ist unlogisch. Wenn ein stärkeres Angebot da ist, ist das der schlechteste Zeitpunkt, eine Lohnerhöhung zu fordern.
Traxler: Die Forderung nach Einführung eines Mindestlohnes ist nicht neu. Neu ist, daß sich breite Schichten dazu bekannt haben. Auslösend für die Debatte war weniger die Öffnung Osteuropas, sondern das stärkere Auseinanderklaffen zwischen einem relativen Wohlstand der österreichischen Bevölkerung und einer immer größer werdenden Schicht von Arbeitnehmern, die benachteiligt sind. Da verringert sich die Differenz zwischen Sozialhilfe auf der einen und Löhnen auf der anderen Seite immer mehr. Das wird als ungerecht empfunden.
Tschebull: Weil die Sozialleistungen höher werden?
Traxler: Nicht weil sie höher werden, sondern weil sie sich an die durchschnittliche Lohnentwicklung anpassen. Da das bei den niedrigen Löhnen nicht passiert, profitieren die Menschen, die arbeiten, nicht in demselben Ausmaß von diesem Wohlstand. Vielleicht kommt noch eine stärkere Bewußtseinsbildung bei Frauen dazu, die es sich nicht länger gefallen lassen, das letzte Anhängsel am Arbeitsmarkt zu sein.
Traxler: Wie entwickeln sich die Löhne der österreichischen Arbeitnehmer angesichts der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes? Eine Antwort auf diese Frage lautet, das soziale Gefüge von unten her zu festigen. Die Mindestlohnforderung ist ein Nebenprodukt einer Entwicklung, die jetzt stattfindet.

Gotz: Für mich stellt sich schon die Frage, ob es überhaupt einen gerechten Lohn gibt. Die Lohnarbeit im kapitalistischen System impliziert ja grundsätzliche Ungerechtigkeit, weil die Arbeitsverhältnisse auf keinen Fall auf die Menschen abgestimmt sind, sondern die Menschen müssen sich den Arbeitsverhältnissen beugen. Sie müssen schauen, wo sie ihren Lebensunterhalt verdienen können ...
Tschebull: ... so ist der Lauf der Welt ...
Gotz: ... Mit Aussagen wie Gerechtigkeit oder sozialer Wohlstand bekommt man das Problem nicht in den Griff.
Kreisky: Der Mindestlohn ist allerdings längst überfällig. Außerdem hätte die Wirtschaftspartei durch die Einführung des Mindestlohns den Vorteil, daß Kaufkraft gesteigert wird.
Traxler: Richtig. Für mich stehen aber der sozialpolitische und frauenpolitische Aspekt im Vordergrund.
Gotz: Man muß bedenken, daß die Arbeiterschaft bei uns und jene in der „3. Welt“ unterschiedliche Interessen haben. Bei uns hat die Arbeiterschaft neben ihrer Funktion als Arbeitskraft die Funktion Kaufkraft, die durch einen Mindestlohn gestärkt werden würde. Da stecken keine edlen Motive, sondern Interessen dahinter. Die Menschen in der „3. Welt“ brauchen nicht Kaufkraft zu sein, sondern sind lediglich billige Arbeitskräfte. Sonst nichts. Bei uns paaren sich die zwei Funktionen. Das sind gewisse Diskrepanzen.

Kreisky: Hier gibt es ja andere Ansatzpunkte, wie die Wertschöpfungsabgabe oder Energie- und Rohstoffsteuern, die zumindest teilweise eine Entlastung des Faktors Arbeit ermöglichen würden. Außerdem: der Umverteilungsspielraum ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Wenn Milliarden zur Förderung von Industrieansiedelungen von mächtigen multinationalen Konzernen zur Verfügung stehen, auf der anderen Seite für Schlechtsituierte der Gesellschaft Sparsamkeit das oberste Gebot ist, dann ist das eine Diskrepanz.
Tschebull: Sie setzen die Umverteilung als unumstößliches Ziel der Regierungsarbeit voraus — aber wohin? Zur totalen Nivellierung? Sicher stimmt es, daß, je höher der Basislevel ist, desto weniger Bedarf an Ausgleich besteht. Wenn keine unmittelbare Not mehr besteht, muß die Sorge um Umverteilung geringer werden.
Gotz: Den Leuten also mit höheren Löhnen das Maul stopfen?
Tschebull: Ja, richtig.
Gotz: Zugunsten wessen Interessen? Damit der gesellschaftliche Unterschied in aller Ruhe weiter ausgebaut werden kann? Ein Vorteil auf der einen Seite ist doch immer zum Nachteil auf der anderen Seite.
Tschebull: Das glaube ich nicht. Wenn Sie sich die letzten 40 Jahre anschauen, dann ist der wirtschaftliche Fortschritt doch zum Vorteil aller.
Gotz: Keineswegs. Schauen Sie doch, wie die Verelendung in der „3. Welt“ zugenommen hat.
Traxler: Ich möchte zum praktischen Aspekt zurückkommen. Es gibt ganz einfach 400.000 Menschen, die unter 10.000 Schilling brutto verdienen. Ich bin froh, daß hinter dem sozialen Ziel, diese Situation zu verbessern, jetzt sehr viele stehen. Ich bestreite auch, daß Betriebe daran zugrunde gehen. Eine Reihe von Betrieben wird sicher gefährdet werden, da muß man sich dann regionale Strukturmaßnahmen überlegen.
Kreisky: Die ja zum Teil schon laufen.
Traxler: Außerdem haben solche Betriebe ja ohnehin keine lange Überlebensperspektive bzw. werden sie in die Oststaaten ausweichen.
Traxler: Daß die Fremdenverkehrswirtschaft, eine Branche mit sehr niedrigen Löhnen, zugrunde geht, das stimmt überhaupt nicht. Oder die Rechtsanwalts- oder Steuerberatungskanzleien, die ihren Sekretärinnen weniger als öS 10.000 zahlen. In den meisten Fällen also ist es möglich, den Mindestlohn zu zahlen, und dort, wo Betriebe echt gefährdet sind, muß man in der Region wirtschaftliche Maßnahmen setzen, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Im Umverteilungsprozeß muß man danach trachten, daß einmal diese unterste Gruppe verschwindet.
Tschebull: Die Auswahl wird strenger werden. Wenn man schon mehr zahlen muß, will man mehr für sein Geld haben. Jetzt mag es Mindestleister geben, die gerade mit öS 8.000 bewertet werden. Wenn der Unternehmer aber öS 10.000 zahlen muß, dann wird er trachten, jene loszuwerden und die in seinen Augen Tüchtigeren zu beschäftigen. Das könnte ein Sozialproblem am Rande bringen.
Kreisky: Das wird sich zum Teil dadurch wieder verändern, daß die Preis- und Währungsrelationen verändert werden. Das wird nicht von sehr langer Dauer sein können, denn jetzt können sie noch die relativ niedrigen Preise zu Hause nutzen, aber da wird es zu einem Anpassungsprozeß im Preis- und im Lohnniveau kommen. Zweifelsohne wird dieser Übergang hart sein.
Traxler: Die illegale Beschäftigung ist von der Mindestlohnproblematik zu trennen. Ich weigere mich, Armut gegen Armut auszuspielen.
Gotz: Das passiert aber faktisch. Der Mindestlohn ist ja nur für die Arbeitenden da, und bei der Zuspitzung der Arbeitsmarktsituation durch die Reduktion der Arbeitsplätze kommt es natürlich zu einer neuen Spaltung unter der Reservearmee.
Traxler: Noch einmal: Ich weigere mich, die Armen gegen die Ärmsten, das sind die Ausländer, auszuspielen.
Gotz: Dann müssen Sie aber gegen das Konkurrenzsystem insgesamt auftreten.
Kreisky: Die Bedeutung einer europaweiten und hoffentlich auch bald internationalen praktischen Solidarität wird zunehmen.
Tschebull: Ich freue mich, daß die Augen geöffnet werden für Konkurrenzsituation und Markt, und daß das letzte große Monopol in Österreich, nämlich der ÖGB, der das Angebot an Arbeit monopolistisch verwaltet, in Schwierigkeiten gerät. Durch die Störungen im System, durch das Unterbieten aus dem Osten sind die Augen dafür geöffnet worden, daß man sich bemühen muß, um einen Job zu kriegen.
Kreisky: Sehen Sie nicht, daß diese sozialdarwinistische Denkweise, die Sie immer so stolz vertreten, eigentlich gar nicht so erfolgreich ist? In den Ländern mit den gesichertsten Arbeitsverhältnissen wie Schweden oder Japan gab es die rasanteste technologische Entwicklung. Es stimmt evident nicht, daß dort, wo Angst vorherrscht, am besten und fleißigsten gearbeitet wird. In den USA etwa gibt es größte Probleme mit den eigenen Produkten.
Traxler: Wenn Sie, Herr Tschebull, die Gewerkschaften als Monopol darstellen, dann steckt dahinter sicher eine Absicht ...
Traxler: Die Absicht, eine Arbeitnehmerorganisation, die in Österreich auf Grund ihrer hohen Mitgliederzahlen stark ist, zu zerstören. Das wäre ein Nachteil für die Arbeitnehmer. Ich wünsche mir nicht, daß ein Monopol, das für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kämpft, zerstört wird.
Tschebull: Das Wegkommen vom Fürsorge-Denken und der Hoffnung, daß irgend jemand, etwa die Gewerkschaften, dafür sorgen muß, daß ich mehr verdiene. Das Bewußtsein schaffen, daß ich mich in acht nehmen muß vor dem ausländischen Taxifahrer, der sich mit 20% Provision begnügt, während ich bisher 40% bekommen habe.
Traxler: Wir haben schon lange verlernt, gewerkschaftlich zu denken. Die Gewerkschaften sind das Sprachrohr der Arbeitnehmer. Der Druck nach mehr Verdienst kommt von den Menschen. Das hat auch gar nichts mit dem Fürsorgegedanken zu tun, es geht um eine Arbeitsleistung. Ich ärgere mich, wenn weibliche Arbeitsleistung so schlecht bewertet wird, nur weil es eine Frau macht. Zweitens: Auch der ausländische Taxler würde, wenn er in Österreich legal arbeiten könnte, lieber die 20% mehr verdienen.
Tschebull: Fragt man die Menschen: „Wollt Ihr den totalen Lohn?“, werden natürlich alle „Ja“ schreien.
Kreisky: Die Vorstellung, daß Menschen, die sich besonders ausplündern lassen, der Wirtschaft zugute kommen, die ist historisch falsifiziert. Aufgeschlossene Unternehmer sind ja auch gegen diese Überausbeutung. Zum Monopol: Es gibt große Bereiche, wo der gewerkschaftliche Organisationsgrad so gering ist, daß man gar nicht von Monopol sprechen kann. Auf der anderen Seite gibt es die wahren Monopole, die sich aussuchen können, wo sie am Weltbasar investieren. Die Gemeinden, Länder und Staaten überbieten einander mit Förderungen — das ist doch das wahre Fürsorgeprinzip.
Tschebull: Das ist Markt und kein Monopol.
Kreisky: Marktmacht. Dieser Annex zum Markt, nämlich die Macht, der wird immer wichtiger. Das Regulativ Konkurrenz jedenfalls kratzt die Monopolmacht nur marginal.

Traxler: Es gibt den illegalen Arbeitsmarkt. Wer will den? Die Arbeitnehmer jedenfalls nicht. Es sind die Arbeitgeber, die sich solcher Leute bedienen. Will man etwas gegen den illegalen Arbeitsmarkt machen, muß man gegen die Arbeitgeber, die das Gesetz verletzen, vorgehen. Solange es aber auch im Bereich der persönlichen Arbeiten ein Kavaliersdelikt ist, ‚Pfuscher‘ zu beschäftigen, muß es zu einem nationalen Umdenken kommen.
Traxler: Davon halte ich überhaupt nichts. Das führt nur zu einem Polizeistaat. Ich glaube, daß ein freiwilliges Umdenken aller, vor allem der Arbeitgeber, stattfinden muß, eine moralische Verpflichtung, die österreichischen Gesetze einzuhalten. Dafür muß ein breiter Konsens dasein.
Tschebull: Sind wir jetzt bei der Weltverbesserung?
Kreisky: Das Umdenken ist ein Punkt. Das andere ist, daß es Bereiche gibt, wo die Arbeitskraft relativ teuer kommt, weil der Einsatz von Kapital null oder sehr gering ist. Arbeit sollte deshalb gegenüber Kapital- oder Energieeinsatz nicht so sehr belastet sein.
Gotz: Arbeit aufzuwerten, müßte viel weiter greifen. Die Politik der Gewerkschaften ist viel zu eng gefaßt, weil sie im Prinzip nichts ist als Kampf um Lohnerhöhung. Eigentlich müßte man sich auf einen anderen Arbeitsbegriff hin orientieren. Nicht auf einen, der den Menschen nur als Produktionsfaktoren sieht, sondern der darauf eingeht, daß die Menschen selbst etwas gestalten können.
Traxler: Es geht uns nicht nur um die Lohnarbeit. Uns geht es zum Beispiel auch um die Verteilung der Hausarbeit auf die Familienmitglieder und eine Abstützung der Familie durch die öffentliche Hand. Eine Umverteilung der Arbeit hin zu bestimmten Dienstleistungen brächte eine gesellschaftliche Entlastung der Frauen. Denn Frauen, die im Haushalt doppelt und dreifach belastet sind, haben natürlich keine Kraft mehr zum gewerkschaftlichen Kampf, was wiederum ihre niedrigen Löhne erklärt.
Tschebull: Jetzt verstehe ich endlich, warum die Frauen entlastet werden müssen. Damit sie zur Fahne greifen können.
Traxler: Natürlich.
Gotz: Realpolitisch stimme ich durchaus zu. Trotzdem bleibt, daß Arbeit dabei als Übel angesehen wird, das es besser zu verteilen gilt. Dabei müßte Arbeit im Prinzip für den Menschen doch Selbstverwirklichung sein.
Traxler: Als Ziel durchaus erstrebenswert, aber derzeit ist das doch etwas beiseite geschoben.
Kreisky: Die Entwicklung läuft trotz aller Widersprüche doch in diese Richtung. Konzerne, weil sie das gesamte menschliche Potential möglichst ausschöpfen wollen, kommen darauf, daß mehr Kompetenz bei den Arbeitskräften zu einer höheren Qualität führt.
Kreisky: Eine solidarische Kooperation setzt ja die Ermöglichung der kulturellen Verschiedenheit voraus. Mehr Integration, mehr Gleichstellung, mehr Kooperation — das hängt zusammen.
Traxler: Wir müssen uns fragen, wieviel Personen der österreichische Arbeitsmarkt verkraften kann? Es glaubt ja niemand, daß Österreich hunderte Millionen Menschen aufnehmen kann. Und wir müssen uns auch fragen, wie wir die, die wir aufnehmen, dann behandeln. Asylpolitik ist ganz etwas anderes. Flüchtlinge müssen wir aufnehmen, ganz ohne Diskussion. Derzeit passiert das noch ungenügend — wir diskriminieren sie in einer hysterischen Form. Das zweite ist, daß gemeinsam ein Konzept für die Einwanderungspolitik erarbeitet werden muß: wieviel Arbeitskräfte brauchen wir, wieviel kann Österreich verkraften? Ich fühle mich als Politikerin mitverantwortlich, daß in der österreichischen Öffentlichkeit ein Klima der Öffnung und nicht der Angst herrscht. Parallel gehört dazu natürlich eine Stärkung der Sozial- und Wirtschaftspolitik der jetzt im Demokratisierungsprozeß stehenden Länder.

Tschebull: Wir sollten ehrlich sein. Die Fremdenfreundlichkeit ist nicht selbstverständlich, sie ist ein mühsamer intellektueller Prozeß. Man kann nicht so tun, als wäre es selbstverständlich, daß jeder Neuankömmling mit offenen Armen begrüßt wird. Das ist eine hohe sittliche Leistung, die anzustreben ist. Das zweite: Es geht nicht darum, wieviel wir aufnehmen können, denn aufnehmen können wir viel mehr, als zur Debatte stehen, nein, es geht darum, wieviel wir aufnehmen wollen. Es ist das Recht der Völker, auf ihre Art selig zu werden. Dazu muß man sich bekennen. Die Bewegungsfreiheit für Menschen impliziert nicht die weltweite Niederlassungsfreiheit. Überall weggehen zu können, heißt nicht, überall hingehen zu können.
Kreisky: Das Kapital kann überall hingehen, die Menschen aber nicht?
Tschebull: Ja, so ist es. Wir können uns das Recht herausnehmen, aus dem jetzigen Wanderungsstrom die Rosinen herauszupicken. Dazu sollte man sich bekennen.
Kreisky: Und die politischen Flüchtlinge?
Tschebull: Die haben wir ausdrücklich ausgeklammert. Die nicht-politischen, die Wanderer, können wir aber sicher nicht alle nehmen. Also ist es ein Gebot der Vernunft, die Rosinen herauszuklauben. Viele Leute wollen bei uns rein, und wir sind in der angenehmen Lage, Bedingungen zu stellen. Das sollten wir nützen und nicht in Heuchelei sagen, daß uns alle gleich lieb sind. Es sind uns nicht alle gleich lieb. Wenn wir mit der Heuchelei fortfahren und die Bevölkerung zur Nächstenliebe zwingen, dann entsteht im Halbbewußten ein Widerwillen, der eines Tages in Haß umschlägt.
Traxler: Sie sagten vorhin, daß eine multikulturelle Welt anstrebenswert sei. Jetzt meinen Sie, wir sollten uns die Menschen aussuchen. Ist das nicht ein Widerspruch?
Tschebull: Man muß unterscheiden zwischen der Lade Weltverbesserung und der österreichischen Situation im Jahre 1990. Ich will aussuchen, was für uns nützlich ist. Fremdenfreundlichkeit ergibt sich, man kann sie nicht dekretieren.
Kreisky: Das glaube ich auch nicht. Aber man kann Bedingungen schaffen, die einer Fremdenfreundlichkeit zuträglich sind.
Gotz: Die in- und ausländischen Arbeitskräfte konkurrieren miteinander am Arbeitsmarkt. Wie sollen wir über Schulen etc. eine Ausländerfreundlichkeit herstellen, wenn die Menschen Konkurrenten sind? Hier fallen schöne Worte, die aber nicht zu realisieren sind.
Traxler: Was ist Ihr Vorschlag?
Gotz: Solange wir kapitalistisches Privateigentum an Produktionsmitteln haben, wird sich daran nichts ändern, weil es Konkurrenzkampf geben wird.
Tschebull: Diese Debatte ist doch seit Mitte vergangenen Jahres ein für allemal beendet.
Gotz: Keineswegs. Ich meine, daß gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln eine notwendige, aber keineswegs eine zureichende Bedingung für eine Verbesserung ist. Das hat die Entwicklung im Osten gezeigt. Dort wurde zwar die private Verfügbarkeit über die Produktionsmittel abgeschafft, hat aber den Menschen nicht sich entfalten lassen.
Tschebull: Der neue Mensch ist nicht entstanden. Diese Debatte ist beendet.
