FŒHN, Heft 13+14
Mai
1990

Wie weiter?

Es gibt Leute, die so wenig Herz haben, etwas zu behaupten, daß sie sich nicht getrauen zu sagen, es wehe ein kalter Wind, sosehr sie ihn auch fühlen möchten, wenn sie nicht vorher gehört haben, daß es andere Leute gesagt haben.

G. Chr. Lichtenberg (1742-1799)

Wie soll Österreich in zehn, zwanzig Jahren ausschauen? Wie wollen die einen, daß es ausschaut? Wie wollen wir, daß es ausschaut, und wie kom­men wir dazu? Ist das erreichbar? Warum nicht? Wie schon? Geht es um die besseren Argumente? Entscheiden etwa die Ideen der Menschen? Braucht das Volk Hilfe von Seiten seiner Regierung? Brauchen wir Vertre­ter? Ist die kapitalistische Demokratie das Endziel der ganzen Geschichte?

Wie ist es?

Es ist und bleibt unerträglich — was immer auch die gekauften Medien sa­gen mögen —, daß Menschen die Knechte anderer Menschen sind. Es mag noch so verpönt sein, zu sagen, daß Profite nicht möglich sind, ohne daß sie jemandem herausgepreßt werden, es bleibt die Wahrheit. Nie, niemals, wird es zu akzeptieren sein, daß Menschen so gehalten werden, wie sie auch bei uns gehalten werden.

Es heißt einzusehen, daß die politischen Auseinandersetzungen nicht auf der Basis von Argumenten oder Meinungen stattfinden, sondern auf der von Interessen. Die Interessen der in diesem Staate wirtschaftenden Kräfte gehen nicht zusammen mit den elementaren Interessen der Mehrheit der Bevölkerung dieses Landes und werden niemals zusammengehen.

Wer Politik länger als Ausfluß von Ideen betrachtet und nicht von Interes­sen, führt sich selbst an der Nase herum. Argumente sind nichts anderes als Verkleidungen von Interessen. An die Stelle eines widerlegten Argumentes tritt ein neues. Schlagen muß man die Interessen selber.

Wenn Interessen entscheiden, warum entscheiden dann nicht die Interes­sen der Mehrheit der Bevölkerung?

Demokratie, zu deutsch: Volksbeherrschung

Unsere „Demokratie“ ist ein Abbild der Machtverhältnisse in der Gesell­schaft. Wer dort nix zu reden hat, hat auch in der „Demokratie“ nix zu re­den. Wer dort die Macht hat, hat auch in der „Demokratie“ die Macht. Eine Demokratie, die nicht der Durchsetzung des Willens der Mehrheit nützt, was ist das für eine? Das ist eine Karikatur auf die Demokratie. In einer Demokratie bräuchte es nicht jedesmal einen Aufstand, um irgendwo auch nur ein Kraftwerk, eine Müllagerung, eine Durchfahrtsstraße abzuwehren. „Demokratie“, „Volksvertretung“, das sind Phrasen. Wörter die schauspie­lern. Das Parlament ist eine Maschine zur Aufrechterhaltung der Verhält­nisse.

Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie längst verboten. Seit Jahrzehnten versuchen die Leute bei Wahlen etwas zu verändern. Es ist ihnen nie geglückt. (Da ein Bröselchen von der kleinen Schwesterpartei zur größeren Schwesterpartei, dort ein Bröselchen zur kleinsten Schwe­sterpartei.) Wahlergebnisse geben nicht den Willen des Volkes wieder. Als hätten nicht in der DDR 1989 statt der gefälschten 98 Prozent, sagen wir, 80 Prozent die gehaßte SED gewählt! (Warum haben in der DDR so viele eine Politik unterstützt, die sie für falsch halten?)

In unseren Landtagen sitzen breit die von niemandem gewählten Raiff­eisen-Leute und die Sprecher der Industriellen, z.B. Das sollen wir mit un­serem Wählen absegnen. Dieses Parlament gefällt ihnen, und wie! Genüß­lich sitzt der Sekretär der Industriellenvereinigung in der ersten Reihe im Tiroler Landtag. Zufrieden räkelt sich der Banker und Großunternehmer Taus im Parlamentssessel. Und so weiter. Wir haben absolut nichts zu melden in diesem Geldwirtschafts-System.

Sie sagen, das ist eben die Demokratie. Mit der müssen wir leben. Einen Scheißdreck müssen wir mit dieser Demokratie. Ums Eck fahren müssen wir mit der. [1]

Statt der bezeichneten Dinge haben wir vorderhand nur die Wörter: Wir haben das Wort „Volksvertretung“, aber anstelle einer Volksvertretung haben wir eine Volksverarschung. Wie die Menschen in früheren Notzei­ten mit Kaffee-Ersatz auskommen mußten, so müssen wir in diesen mit Demokratie-Ersatz auskommen. So wie der Kaffee-Ersatz außer mit dem Wort nichts mit Kaffee zu tun hat, hat unsere Parteiendemokratie nicht die Bohne zu tun mit Demokratie. So wie einen das Wort „Mantel“ nicht gegen die Kälte schützt, so schützt uns das Wort „Gleichheit“ nicht gegen die Ausraubung durch andere.

Alles Larifari.

(Jeder hat das Recht seinen Wohnsitz frei zu wählen, sofern er das Geld dazu hat. Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu sagen, sofern er nicht verklagt wird. Usw. Alles Quatsch.)

„Das Recht geht vom Volke aus“, „Vor dem Gesetze sind alle Menschen gleich“ — ? Diese österreichische Verfassung in Kraft zu setzen, hieße, eine Revolution machen.

Politiker und die von uns unbabhängigen Zeitungen reden gerne von „politischem Desinteresse“ der Bevölkerung, von deren „Abwendung“ von der „Politik“, vom „schlechten Ruf der Politiker“ unter den Leuten. Das Desinteresse der Bevölkerung an den Politikern kommt von deren Desin­teresse an der Bevölkerung, die Abwendung der Bevölkerung von der Politik von der Abwendung der Politik von der Bevölkerung, der schlechte Ruf der Politiker bei der Mehrheit vom schlechten Ruf, den die Mehrheit bei den Politikern hat.

Es geht aufwärts

Das Volk läuft den Bischöfen aller politischen Konfessionen davon. Es läuft aus den Gewerkschaften, aus den Parteien, es boykottiert die Kam­mern. Die Obensitzer werden nicht mehr gewählt. In Wien, Salzburg, Inns­bruck haben zuletzt jeweils mehr Menschen nicht gewählt als den später in diesen Städten zum Bürgermeister Ausgerufenen gewählt haben. In Wien haben mehr als sechzig Prozent der Jungwähler schon nicht gewählt. Für die heurige Nationalratswahl werden um die 700.000 Nichtwähler erwartet. Das heißt: Siebenhunderttausend Menschen gehen gar nicht erst hin schauen, was angeboten ist!

Achtzig bis neunzig Prozent der österreichischen Jugendlichen (bis 30 Jahre) verbinden lt. Gallup „Politik mit Korruption und Unehrlichkeit“! (TT, 17.11.87) Nicht zehn Prozent oder zwanzig, sondern neunzig! Neun­zig Prozent der Jugendlichen haben eine realistische Einschätzung dieser Geld-ist-Macht-Ordnung.

Die Mißachtung des Volkswillens wird mit der Mißachtung des Politiker­willens beantwortet.

Das hat man uns ja lange genug eingeredet, daß wir Vertreter brauchten. Gerade das Delegieren hat uns aber in diese Scheiße hineingeführt. Über­all, wo die Menschen die Geschäfte, die sie betreffen, nicht selber besor­gen, besorgen sie andere für sie. Die Ergebnisse im Westen wie im Osten sind bekannt.

Natürlich gehören sie mit nassen Fetzen davongejagt. Aber nicht nur sie. Hinter einem alten Landeshauptmann wartet ein neuer. Wir müssen dieses Regierungssystem, das uns andrer Leute Leute zum Wählen vorsetzt, zum Teufel jagen, vorher kann sich nichts ändern.

Wie es ist, ist es nicht richtig

Die Parteien-Demokratie ist historisch erledigt, aber noch nicht politisch. Und es gibt starke Kräfte (die, die davon profitieren, und das sind starke Kräfte!), die dieses System mit allen (!) Mitteln und mit allen Partnern auf­rechterhalten wollen.

Bei allem Überholten ist es das gleiche: Wenn man es nicht stößt, fällt es nicht. Das ist so wie beim Kehren des Bodens, wo das Sprichwort sagt: „Wo der Besen nicht hinreicht, verschwindet der Schmutz nicht von selbst.“

Die Art, wie der Großteil der Menschen hier gehalten wird, muß umgewor­fen werden und wird umgeworfen werden. Was falsch ist, wird auch durch Dauer nicht zum Richtigen. Die herrschende Ordnung, die durch falsche Demokratie geschönte Geldherrschaft, kann sich nicht halten können. Sie wird auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Sie wird als verrücktes Kapitel in die Bücher eingehen.

Wohnen, z.B., ist ein Geschäftszweig, wo unter anderem eine Bank und eine Wohnbaugesellschaft und eine Baufirma und ein Makler bedient wer­den wollen.

Essen, z.B., ist ein Geschäftszweig, wo unter anderem ein Agrarsystem und eine Nahrungsmittelindustrie und ein Großhandel und ein Supermarkt bedient werden wollen.

Gesundheit, z.B., ist ein Geschäftszweig, wo unter anderem eine Chemie­industrie und ein Versicherungsimperium und ein Kassenapparat und eine schwerverdienende Ärzte-Oberschicht bedient werden wollen.

Diese Herrschaftsform muß überwunden werden. Richtiger: Wir müssen diese Herrschaftsform überwinden. Was das Volk braucht, ist nicht Hilfe von Seiten seiner Regierung und deren Anschaffer, sondern die Befreiung von dieser Last.

Erst wenn wir ihnen die Macht entreißen, können sie sie nicht mehr miß­brauchen. Erst dann werden nicht mehr ihre Interessen über unsere Bedürf­nisse herrschen.

Der EG-Anschluß/Abwehr-Kampf hat gezeigt, daß Österreich gespalten ist in Teile, die nichts gemeinsam haben als den Kampf gegeneinander. Die Unabhängigkeit Österreichs, die die Mehrheit seiner Bevölkerung will, kann nur erreicht werden durch das sich Unabhängigmachen von der der­zeit herrschenden Klasse in Österreich!

Wie könnte es sein?

Die Leute wollen ja das alles nicht. Keinen EG-Anschluß. Die Transit­-Torturen nicht. Keine Bauernausrottung. Keinen Ausverkauf. Keine Natur­vernichtung. Die Leute wollen ganz etwas anderes.

Wir werden ganz davon aufgebraucht, dies und das zu verhindern. Wir sind ganz darauf eingestellt, zeit unseres Lebens nur zu reagieren, die uns zugefügten Schäden zu beheben, das Ärgste abzuwehren. Ist das das Leben?

Da gehts nicht um Geschmäcklerei, nicht um Rechthaberei, sondern darum, ob wir einmal nach eigenen Vorstellungen leben können oder auf ewig nach andrer Leute Pfeife tanzen müssen.

Man schaue sich an, was diese Leute schaffen! Der Mann pendelt jeden Tag aus. Die Frau hat drei kleine Kinder im Haus. Und dann haben sie die Spitze des Staates gegen sich!

Wenn man sich vorstellt, was der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher guttäte, geht das alles in die falsche Richtung. Mit Riesen­schritten. In einem Wahnsinnstempo.

Widerstand im Tiroler Oberland: Herz-Jesu-Feuer 1988

Umgekehrt: Wie könnte es diesem Volke gehen ohne die verhängnisvolle Politik der 30er Jahre! Wo könnte Österreich sein ohne die österreicher­feindliche Politik der letzten zwanzig, dreißig, vierzig Jahre!

Was wollen die Österreicherinnen und Österreicher?

Sie wollen Wohnungen. Bringt das die EG?
Sie wollen Arbeit. Bringt das die EG?
Sie wollen bessere Löhne. Bringt das die EG?
Sie wollen eine gesunde Umwelt. Bringt das die EG?
Sie wollen in diesem Land selbst bestimmen. Bringt das die EG?

Was ist mit der Familie, die in einer Kleinwohnung lebt? Wird es besser für sie? Was ist mit dem Nebenerwerbsbauern? Wird es bleiben, wie es ist? Was ist mit der Kassiererin beim M.-preis? Wirds noch schlechter?

(Sie sagen, wenn Österreich der EG gehört, geht es uns um zwei Prozent, und manche sagen, um fünf Prozent besser. Wenn aber Österreich diese Bagage, die das sagt, zum Teufel jagt, geht es den Österreicherinnen und Österreichern um ein Vielfaches besser.)

Es geht um unser eigenes Leben. Unser einziges.

Wir sind — im Gegensatz zu den Regierenden — der Meinung, dieses Land sollte uns gehören, den Menschen, die hier leben und arbeiten. Um die geht es, einzig und allein, nicht um die dicken Konten eines Herrn Swarovski irgendwo in der Schweiz und ähnliches.

Wir wollen hier leben bleiben. Daher müssen wir die Transitschleusen zumachen. Daher dürfen wir das hereindruckende Kapital nicht hereinlas­sen. Daher dürfen wir unsere Bauempolitik nicht den Großagrariern zu Brüssel überlassen. Usw. Wir berauschen uns nicht an dem Unrecht, das uns zugefügt wird, pausenlos. (Der FOEHN gefällt sich nicht darin, den jeweils frischesten Skandal — beim Transitverkehr, bei der Energiepolitik, bei der Verscherbelung unserer Wirtschaft — zu erzählen.) Wir widersetzen uns, weil wir uns widersetzen müssen, um von dem, was wir anstreben, nicht noch weiter abgetrieben zu werden.

Man darf keinen Augenblick vergessen, was wir in diesem Lande tun könnten, was in Österreich für eine Politik für seine Menschen gemacht werden könnte.

Wie könnten wir leben!

Radikal sind die derzeitigen Verhältnisse. Die Österreicherinnen und Österreicher wollen hingegen nichts Extremes. Nur ein unabhängiges Land, dessen Bevölkerung selbst für das Notwendige und das Nützliche und das Angenehme aufkommt. Ein Land, aus dem die Gewinne nicht ab­fließen, sondern ganz denen gehören, die sie erarbeiten. Ein Land, wo keinem nach seiner Gier aber jedem nach seinen Bedürfnissen zukommt.

Nicht einmal das kleinste Opfer der Menschen in diesem Land ist nötig, um ein auf eigenem stehendes Österreich zu schaffen. Wenn die Reichen arbeiten müssen, müssen auch die Arbeiter reich sein. Es ist für alle genug da. Österreich hat beste Voraussetzungen, Österreich produziert ausrei­chend. Wir brauchen keine Tschechen und Ungarn zu schröpfen. Es ist so viel da, daß die Masse satt dazubekommen kann (alle türkischen und jugo­slawischen Österreicher eingerechnet).

Wie wird es sein?

Wenn etwas in Ruhe ist, kann man sich nicht vorstellen, daß es einmal in Bewegung geraten könnte. So wie wenn etwas in Aufruhr ist, man sich nicht vorstellen kann, daß es einmal wieder zur Ruhe kommen könnte.

Was wir derzeit erleben, ist eine Etappe. Mehr nicht. Dies ist noch nicht das Ziel der menschlichen Entwicklung. Es geht weiter. Nichts bleibt beim alten.

Auch der Inn bleibt nirgends stehen

Wie wir jetzt, seit einigen Jahrzehnten leben, ist kein End-Zustand, sondern auch nur eine geschichtliche Durchgangsperiode. Seit x-tausend Jahren gibt es Menschen — und wie kurz die kapitalistische Demokratie!

Alle Vorstellungen von Stillstand sind falsch. Sie sind deshalb falsch, weil sie weder mit den geschichtlichen Tatsachen der gesellschaftlichen Ent­wicklung während der vergangenen Jahrtausende übereinstimmen, noch mit den geschichtlichen Tatsachen in der Natur.

Die Mächtigen sind zu allen Zeiten ihren Untertanen damit in den Ohren gelegen, wie gut sie es mit ihnen hätten. Hätten unsere Vorfahren den süßen Worten ihrer Unterdrücker, sie lebten in der besten aller Welten, ge­glaubt und nicht ihren eigenen Erfahrungen, so roboteten wir heute noch für den Kaiser (und Otto Habsburg wäre heute keine Witzfigur, sondern unser Zwingherr). Würden wir heute den Konzernbossen und ihrem Polit­-Personal glauben, wir lebten in der besten aller Welten, und nicht dem, was wir täglich erleben, so würden die Menschen in hundert Jahren noch in diesem ungerechten, übel organisierten System leben.

So wie gegenüber dem alleinherrschenden Adel diese Parteiendemokratie ein Fortschritt war, so läßt sich Besseres denken. Mehr Menschen müssen an der Macht beteiligt werden. Alle.

Es kommt was Bess’res nach

Wir sind Vorläufige. Denen nach uns werden wir scheinen wie uns die vor uns mit den langen Pfeifen auf den braungewordenen Photos. Nur ein Trottel denkt sich alle Zukunft als verlängerte Gegenwart. Wenn wir, sagen wir, aus dem Jahre 2015 auf heute schauen: Es wird sich keiner mehr vor­stellen können, daß Menschen so gegeneinander gelebt haben. In einer solchen Gesellschafts-Unordnung.

„Hätte“, wird man sagen, „hätte nicht damals, 1990, schon ganz klar sein müssen, ...“ Ja, es hätte.

Es gibt viele Menschen, die meinen, es müsse — unausweichlich — diesen Weg gehen. Nicht, weil sie ihn wollen, aber weil sie einen anderen nicht für möglich halten.

Wenn es möglich ist, daß die Mehrheit nach der Pfeife der Minderheit tanzt, um wieviel leichter dann das Umgekehrte! Welch herrliche Melodien lassen sich da denken!

Die Zustände, wie sie sind, sind nicht zu halten. Die Aufstände in anderen europäischen Ländern haben auch bei uns das uns lahmlegende Gefühl zerstört: Das Gefühl, die Verhältnisse seien für immer fixiert, wir hätten den Endpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht. Die Massenak­tionen mitten in Europa haben gezeigt, was möglich ist von einem Tag auf den anderen.

Die an der Ungerechtigkeit profitieren, hören es natürlich nicht gern, daß man sagt, diese „Ordnung“ sei eine ungerechte. Die an dieser Ungerechtig­keit profitieren, sagen natürlich, das sei keine ungerechte Ordnung.

Zu allen Zeiten hätten die jeweiligen Nutznießer gern die Zeit aufgehalten. Es ist ihnen bis heute nie gelungen. Nie hat sich der Adel vor 150 oder 200 Jahren sein Ende vorstellen können oder nur zusammen mit dem Ende der Welt.

Auch die unter der Kaiserherrschaft lebenden Menschen werden ihre Lage als aussichtslos, ihr System als unüberwindbar angesehen haben. „Da kann man nichts ändern“, werden sie einander zugeraunt haben. Und: „Das wird immer so sein.“

Wir brauchen uns von niemandem irremachen zu lassen in unserem Wis­sen, daß es eine Welt geben kann, wo keiner der Büttel eines anderen Menschen und keiner der Herr über einen anderen Menschen ist. Daß ein anderes Verhältnis zwischen den Menschen möglich ist als das jetzige, wo das Vermögen die Beziehungen bestimmt. Wir können es glauben oder nicht glauben: Das Ende dieses Systems ist so unaufhaltsam wie notwen­dig. Die Entwicklung bringt das Ende wie die Wolke den Regen.

Wie es heute ist, ist es morgen gewesen

Wie wir uns heute noch politisch organisieren, ist des Menschen unwürdig, seiner Entwicklungsstufe ganz und gar unangemessen. Wir, die wir heute leben, die solche unvergleichbare Höchstleistungen erbringen auf wirt­schaftlichem, technischem, geistigem Gebiet, lassen uns politisch halten wie der letzte Dreck. Lange wird sich diese Gesellschaft, die ständig voranschreitet in ihren Fähigkeiten, es sich nicht gefallen lassen, politisch wie vorgestrig behandelt zu werden.

Wieder können und wollen sich die Profiteure der Gegenwart ihr Ende nur als Ende der Welt vorstellen. Trotzdem ist sicher: Solange wie es ihre Ord­nung bis hier her gegeben hat, wird es sie von hier weg nicht mehr geben. Es wird schon fleißig heruntergezählt. Die Welt wird noch stehen, aber sie wird nicht mehr von ihnen beherrscht sein.

Es ist keine kommunistische Propaganda, jeder kann es sehen, daß ihr System zu schanden geht. Schon die Lösung eines jeden kleinen Problems bedürfte des Umsturzes des Systems: Schon das Wohnungsproblem zu lösen, z.B., bedingte den Umsturz. Das Transitproblem wirklich zu lösen, z.B., setzte den Umsturz dieses Systems voraus. Das Umweltproblem wirklich zu lösen, z.B., erforderte den vorherigen Umsturz dieses Systems. Um das Ausländerproblem (d.h. das Problem, das die hier arbeitenden Ausländer mit Österreich haben) zu lösen, z.B., müßte vorher dieses System gestürzt werden. Das Bauernproblem, z.B., ist nicht zu lösen, ohne daß vorher der Sturz dieses Systems erfolgt.

Wer, wenn nicht wir?

Die objektiven Bedingungen dafür, mit diesem System zu Ende zu kom­men, die Kapitalherrschaft abzuschütteln, diese Geld-Demokratie auf der Sondermülldeponie der Geschichte endzulagern, sind gut.

Die derzeit gefeierte „Stabilisierung“ ist in Wahrheit eine Phase der weite­ren Zuspitzung. Man muß ja niemanden hindern, wenn er sich in seine eignen Taschen lügt. Aber in die unsren sollten wir uns das nicht lügen las­sen. Das ist die eine Seite. Damit diese dem Untergang geweihte Epoche aber diesem verdientermaßen auch entgegengeht, müssen wir etwas dazu­tun. An sich selbst geht auch dieses System nicht zugrunde.

Frage: Gibt es etwas Stärkeres als die Macht des großen Kapitals? Antwort: Ja. Den Willen der Masse.

Was uns tagtäglich beigebracht wird, wird die Menschen über die Zu­stände noch so erschrecken machen, daß sie ihnen den nötigen Mut machen.

Man kann manches glauben und vieles hoffen. Sicher und gewiß bleibt aber auch in dieser Zeit, wo viele nicht mehr wissen, wo vorne und wo hinten ist, dies:

  • Daß dieses nicht das letzte System ist.
  • Daß dieses nicht unser System ist.
  • Daß die, denen ihres dieses ist, nicht freiwillig abdanken.

Hinten ist die Geschichte zu. Mit Kaisertum. Mit Faschismus. Mit Kapitalherrschaft. Vorne ist sie offen. Dort müssen wir aus dem heraus!

Wie? Ja, wie?

[1Schlechter als diese schlechte Demokratie wäre, nicht einmal diese schlechte Demokratie zu haben. Auch diese primitive Vorform ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber der Monarchie oder der faschistischen Diktatur. Sie erleichtert den Kampf für die Interessen der Mehrheit enorm. Aber auch sie muß zurückgelassen werden.

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