Im Namen des Staates
Bülow war Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung 1976 bis 1980 und von 1980 bis 1982 Bundesminister für Forschung und Technologie. In dem vorliegenden Buch geht er der Frage nach, wieso der Drogenschmuggel, trotz vollmundig angekündigter Kampagnen gegen diesen, sich fast ungebremst weiterhin ausbreiten kann. Da stößt er, wen wundert’s, auf Geheimdienste — ebenso, wenn er den Bereich Geldwäsche, siehe BCCI oder die Nugan Hand Bank (S.196) untersucht — und dadurch auch auf die höhere Staats- raison. Zitat: „Die amerikanische Politik der Reagan-, Bush- und Clinton-Administrationen haben dem Drogengeld letztlich nur pro forma Hindernisse in den Weg gelegt, in Wirklichkeit ist auch dort ‚dereguliert‘ worden, um den Strom des Geldes an den eigenen Bankzentren nicht vorbeigleiten zu lassen.“ (S. 235) Oder: „Auch lassen es sich Geldanlageunternehmen, wie Dow Jones in New York, nicht nehmen, derart potente Ratgeber nach Ablauf ihrer Amtszeit in den Kreis ihrer Manager aufzunehmen, wie es dem letzten unter erdrückendem Verdacht des Rauschgifthandels wie der Unterschlagung von Ölgeldern stehenden mexikanischen Präsidenten Salinas gelungen ist.“ Bülow geht auch auf innenpolitische Prioritäten der jeweiligen amerikanischen Regierungen ein, wenn er schreibt, daß mit den Exilkubanern das System Bati- sta nach Florida, d.h. vor allem nach Miami, gebracht worden ist. Ihnen sei Drogenschmuggel zugestanden worden, um Operationen gegen das Regime Castro in Kuba zu finanzieren. Und das hat seiner Meinung nach dazu geführt, daß die mittlerweile eingebürgerten Exilkubaner in Florida „eine für die innenpolitische Landschaft der USA wichtige Gruppierung geworden“ sind, „deren Führung aus wahltaktischen Gründen nicht herausgefordert werden darf, die aber auch unbehelligt bleiben muß, weil aus den Gewinnen des Drogen- und Geldwäschegeschäftes Staatsstreiche, Anschläge und Guerillaaktionen nicht zuletzt gegen Fidel Castro finanziert werden.“ (S.250) Aber auch der Krieg in Afghanistan hatte eine weltweite Heroinflut zur Folge, die laut Bülow diesen Krieg auch weitgehend finanzierte.
Die zivilen Instanzen müßten demgegenüber zurückstecken, und so floriert das Geschäft und die Kleinkriminalität, gegen die dann umso härter vorgegangen wird. So läuft halt das Spiel, und daher: „In den reichen Industrieländern wie Deutschland dienen 80 Prozent aller Eigentumsdelikte der Finanzierung des Drogengeschäfts.“ (S.241) Um die Preise zu senken, und damit zugleich die Kleinkriminalität, schlägt Bülow folgerichtig die Legalisierung von Drogenbesitz und -konsum vor.
Die Aufzählungen, wobei die USA als letzte Supermacht nur pars pro toto für die übrigen Staaten gilt, könnten endlos fortgesetzt werden, denn laut Bülow: „Wegen des übergeordneten Interesses an der Nutzung verdeckter Operationen ist nicht nur die amerikanische, sondern auch die europäische und deutsche Drogenbekämpfung im höchsten Maße korrupt.“ (S.485) Eher abschließend die Feststellung: „Das symbiotische Verhältnis zwischen Geheimdiensten und organisierter Kriminalität macht sich für beide bezahlt.“ Eine nichttheoretische Einführung in die politische Ökonomie des politischen und kriminellen Untergrundes.
Andreas von Bülow: Im Namen des Staates. CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste. Piper Verlag, München 1998, 635 S, öS 336,—